Mehr Bildungstransformation wagen!
Eine echte Umgestaltung – das fordern viele, vor allem Bildungsakteurinnen und -akteure, für das deutsche Bildungssystem. Auch die deutschen Bildungsstiftungen werden für die Bildungszukunft in die Pflicht genommen und verpflichten sich hierauf.
Zuvörderst machen die Kinder und Jugendlichen selbst darauf aufmerksam: Sie wünschen sich eine andere Bildung, eine veränderte Kita, Schule, Freizeit. Daten, Befunde, biografische Einsichten und persönliche Erfahrungen zeichnen diesbezüglich immer wieder das gleiche Bild. Und die verantwortlichen Akteurinnen und Akteure in Bildungspolitik, Bildungswissenschaft und Bildungspraxis sind guten Willens. Dass ein reformbedürftiges System, in dem es an so vielen Stellen hakt, überhaupt noch läuft, ist den enormen Kraftanstrengungen von Fachkräften in Kitas und Schulen zu verdanken, die sich an der Situation aufreiben und verschleißen. Und doch bleibt das Menschen- und Grundrecht auf gute, beste Bildung und individuelle Förderung immer noch uneingelöst. Längst betrifft das nicht nur Kinder und Jugendliche mit individuellen, sozialen oder kulturellen Benachteiligungen – alle kommen letztlich zu kurz. Schulleistungsvergleichsstudien wie PISA, TIMSS, VERA und IQB-Bildungstrend lassen Deutschland mehr oder weniger für alle Kompetenzstufen alt aussehen. Begabte und Benachteiligte, Bildungsinländer wie Eingewanderte, Jungen wie Mädchen: Alle klagen letztlich zu Recht über Mängel des Bildungssystems und mangelnde Bildung.
Uns läuft die Zeit davon
Zudem werden die großen Steuerungsfragen (Mehrebenensystem Länder, Kommunen, Bund), Strukturanforderungen (längeres gemeinsames wie gutes individuelles Lernen) sowie Qualitätsthemen (frühe Bildung, Digitalisierung, Basiskompetenzen, Bildungsstandards, Demokratiebildung, Partizipation) für ein wirklich zukunftsfähiges Bildungssystem letztlich nicht beantwortet, oft nicht einmal angesprochen. Der Fortschritt ist bekanntlich eine Schnecke. Doch läuft gerade einer demokratischen Gesellschaft wie Deutschland nicht nur die Zeit davon, während die rasante Digitalisierung (KI!) eigentlich Takt und Tempo vorgibt. Es fehlt vor allem an einer gesellschaftlichen Diskussion über das Ziel von Bildung, letztlich einem Zielbild für das gesamte Bildungssystem. Aus der Addition der Themen- und Problemdiskurse wird sich dieses jedenfalls nicht ergeben. Willy Brandt würde heute wohl sagen: Mehr Transformation wagen, vor allem mehr Bildungstransformation! Denn nachhaltiger kann man in die Zukunft von Gesellschaften nicht investieren. Das ist heute nicht anders als in den 1960er- und 1970er-Jahren.
Bildungsstiftungen als Thementreiber
Bildungsstiftungen spielen, anders als noch vor Jahren, für die notwendige Transformation des Bildungssystems eine wichtige Rolle. Die Sorge um gute Bildung kommt mit lokalem, nationalem und internationalem Fokus, in formellen, formalen und informellen Bildungsansätzen, in Stiftungssatzungen und Stiftungsstrategien deutlich vor. Stifterinnen und Stifter wissen aus der eigenen Vita, aus unternehmerischer Erfahrung oder bürgerschaftlicher Verantwortung um die Effekte guter Bildung für den Einzelnen wie eine gerechtere, zukunftsfähige (Welt-)Gesellschaft. Große und kleine Stiftungsgründungen nehmen sich verstärkt Schlüsselthemen zur Qualität des Bildungssystems und dessen innerer Reformierung an. Alte, ebenso vornehme wie verstaubte Leitbilder von den Stiftungen als bloßen Beibooten, oder freundlicher: Schnellbooten, neben dem staatlich-öffentlichen Tanker oder Containerschiff Bildungssystem – und damit bloß subsidiären, eben behelfsmäßigen oder aushelfenden Lückenfüllern – kommen dabei nur noch selten im Diskurs vor. Auch beschränken sich Bildungsstiftungen thematisch nicht mehr nur auf Informelles, Außerschulisches, Individualförderung, die Ferien, das Wochenende oder den Nachmittag im Museum, Labor oder Orchester, auf eine parallele Bildungswelt, in der alles besser geht – sie nehmen vielmehr das ganze Bildungssystem in den Blick.
Zur Inspektion dieses Bildungssystems treffen sie sich im Arbeitskreis Bildung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, orientieren sich zu den großen Gerechtigkeits- und Transformationsthemen der Bildung und loten aus, wie der Bildungs- als Stiftungstransfer geht. Sie organisieren sich für ein zukunftsfähigeres Bildungssystem etwa im Nationalen MINT Forum, im Forum Bildung Digitalisierung, im Appell #NeustartBildungJetzt, in der Agenda BildungsgeRECHTigkeiten und wirken gemeinsam. Stiftungen nehmen sich einzeln oder auch hier in Partnerschaften mit erheblicher finanzieller Kraft, kluger Fokussierung und Ressourcenallokation, in Selbstbindung – immer mehr um Wirkung und Systemveränderung bemüht – der Schlüssel- und Zukunftsthemen des öffentlichen Bildungssystems an.
Die Beispiele für Reform-Agenden, aus denen Stiftungen als Themenpaten, Themenanwälte, aber auch Thementreiber nicht mehr wegzudenken sind, sind vielfältig:
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Frühe Bildung und Kita
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Zukunftsschule und Schulen im Brennpunkt
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MINT-Förderung
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Sprachbildung und Leseförderung
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Schulbau
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Digitalisierung
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Bildungsbenachteiligung und allseitige Bildungsgerechtigkeit
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Fachkräftebildung und Einrichtungs-/Schulentwicklung
Den Motor in Gang halten
Bildungsthemen sind ein Stiftungstrend – Bildungsstiftungen sind im Trend. In der Arbeit, zumal am und im öffentlichen Bildungssystem, leben Stiftungen zweifellos von Voraussetzungen, die sie selbst nicht schaffen. Sie unterhalten und betreiben selten Bildungseinrichtungen selbst. Ihre bloßen Mittel sind überschaubar im Vergleich zu den Bildungsausgaben der öffentlichen Hand. Sie agieren letztlich im staatlichen Hoheitsraum Bildungssystem und dessen gesetzlichem Regelungsrahmen. Stiftungen sind oft auf die Expertise und Erfahrung von Bildungswissenschaft und Bildungspraxis angewiesen. Doch Bildungsstiftungen wollen, sollen und können Transformation. Sie leisten Transformationsbeiträge und stemmen Transformationsagenden – wirksam und nachhaltig am besten in bewusster Haltung und guter Interaktion mit den anderen Akteursebenen des Bildungssystems –Praxis, Wissenschaft und Politik. Und sie geben Hilfestellung, das Ziel gute Bildung neu und zeitgemäß zu klären und den gesellschaftlichen Motor Bildungssystem in Gang zu halten. Und verantwortungsbewusst, themensensibel, fach- und systemkompetent wagt man, bewegt man wohl am besten auch die eigene Zukunft als Bildungsstiftung.
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