• Zukunft des Stiftens

Mehr Mut wagen!

Eine repräsentative Studie der Redaktionsagentur Nansen & Piccard zeigt: Stiftungen werden in Deutschland positiver wahrgenommen, als viele Verantwortliche denken. Studienleiter und Journalist Tobias Moorstedt erläutert, woran das liegen kann – und welches Potenzial sich daraus für die Kommunikation von Stiftungen ergibt.

„Wer bringt Stiftungen mehr Vertrauen entgegen? Menschen zwischen 18 und 24 Jahren – oder die über 55-Jährigen?“, fragten wir ins Publikum, als wir Ende 2022 bei einem Workshop des Arbeitskreises Stiftungskommunikation beim Bundesverband Deutscher Stiftungen die Ergebnisse unseres neuen NPO-Reports vorstellten. Nur drei oder vier der über 100 anwesenden Kommunikationsexpert:innen waren der Auffassung, dass junge Menschen offener für Stiftungsthemen sind als ältere. Für uns war dieses Meinungsbild nicht überraschend, denn aus unserer Zusammenarbeit mit Stiftungen kennen wir die Klagen „über das Meer von grauen Häuptern“ bei Stiftungsevents und hören oft die Sorge, dass „junge Menschen eh nicht wissen, was Stiftungen so machen“.

Überraschend ist viel eher, dass diese Klischees gar nicht der Wirklichkeit entsprechen.  

Gated Community? Blackbox? Labor?


Mit unserer Redaktionsagentur Nansen & Piccard arbeiten wir seit vielen Jahren mit Stiftungen und öffentlichen Institutionen wie der ZEIT-Stiftung, der BMW Foundation oder der Landesanstalt für Medien NRW zusammen. Der Satz „Wir wollen neue Zielgruppen erreichen“ fällt in fast jedem Workshop. Gleichzeitig ist das Wissen über die Zielgruppen beschränkt. Kein Wunder: Außer zwei vom Bundesverband Deutscher Stiftungen 2010 und 2019 in Auftrag gegebenen und im Magazin „Stiftungswelt“ veröffentlichten repräsentativen Umfragen gibt es nur wenige Untersuchungen darüber, wie Menschen aus unterschiedlichen Alterskohorten und sozialen Schichten auf Stiftungen blicken: Gated Community? Blackbox mit Steuervorteil? Gesellschaftslabor? Was sehen sie in Stiftungen? Und was erwarten sie von ihnen?

Um diese Fragen zu beantworten und in Zukunft präziser mit unseren Partner:innen arbeiten zu können, haben wir kürzlich eine repräsentative Umfrage unter mehr als 2.000 Menschen über 18 Jahren in Deutschland durchgeführt. Die Daten beantworten nicht alle Fragen, sind aber hoffentlich der Ausgangspunkt für einen spannenden Austausch und sollen die Möglichkeit bieten, in Zukunft noch präzisere Fragestellungen zu erarbeiten.

Die Umfrage in Grafiken

  • © Nansen & Piccard
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Wer hätte das gedacht?

In der öffentlichen Debatte wurde in den Pandemie-Jahren viel darüber berichtet, wie etwa die Bill & Melinda Gates Foundation in den Fokus von Impfgegnern und Corona-Leugnern geriet. Insgesamt hat die Studie aber wenig Anhaltspunkte dafür geliefert, dass der Stiftungssektor allgemein unter Verdacht gerät. Im Gegenteil.

Hier sind einige Ergebnisse, die wir besonders interessant finden:

  • 40 Prozent der jungen Erwachsenen bis 24 Jahre finden Stiftungen sehr oder eher glaubwürdig – bei den über 55-Jährigen sind es nur 27 Prozent. Klar scheint, dass Stiftungen – die durchweg eine höhere Glaubwürdigkeit genießen als etwa NGOs oder Parteien – eine Chance vergeben, wenn sie nicht versuchen, jüngere Zielgruppen mit entsprechenden Inhalten und Formaten anzusprechen.
  • Die größte Angst von Stiftungen ist unserer Erfahrung nach, als abgehoben und elitär zu gelten. Doch unsere Studie ergab, dass nur 11 Prozent aller Befragten Stiftungen als elitär empfinden – und 15 Prozent als konservativ. Auch hier zeigte sich, dass jüngere Zielgruppen ein positiveres Bild von Stiftungen haben – und diese diverser, kreativer und internationaler finden als es ihre Eltern und Großeltern tun. 
  • In der klischeehaften Vorstellung residieren Stiftungen in Unternehmervillen am Starnberger See oder an der Alster. Interessanterweise zeigen Menschen, deren monatliches Haushaltsnettoeinkommen 10.000 Euro übersteigt, mit am wenigsten Interesse an Aktivitäten von Stiftungen. Während sich unter Angehörigen der gehobenen Mittelschicht (4.000–5.000 Euro Haushaltsnettoeinkommen pro Monat) 80 Prozent für Stiftungszwecke und 78 Prozent für spezifische Projekte interessieren, sind es in der sehr wohlhabenden Gruppe nur 60 Prozent beziehungsweise weniger als 50 Prozent. Bemerkenswert: Die Angaben der Bestverdiener in der Studie unterscheiden sich kaum von jenen der Befragten, die zwischen 500 und 1.000 Euro netto im Monat verdienen.
  • Auffällig in der Umfrage ist der große Anteil der Menschen, welche die Antwortoption „weiß nicht“ ankreuzen. Bei den Befragten mit einem Nettohaushaltseinkommen unter 500 Euro pro Monat und bei denen ohne Bildungsabschluss sind es bis zu 30 Prozent. Hier zeigt sich, dass Stiftungen manche Zielgruppen bislang kaum erreichen. Gleichzeitig scheint dieses Bild nicht gefestigt und kann durch neue Formate und Kanäle beeinflusst werden.

Warum wissen wir, was wir wissen?

Repräsentative Umfragen und Untersuchungen sind spannende Standortbestimmungen. Gleichzeitig hat die Methodik natürlich auch Limitierungen. Man weiß nie, warum sich Menschen für solche Stichproben zur Verfügung stellen – oder nicht. Und man erfährt auch nicht, welche Kräfte und Trends zu den Meinungslandschaften führen, die man überblickt. Dass Stiftungen als so viel glaubwürdiger wahrgenommen werden als NGOs oder politische Parteien, sollten wir aber ernst nehmen – gerade weil Glaubwürdigkeit und Orientierung die wichtigsten Währungen unserer Zeit sind.

Am Ende von wissenschaftlichen Artikeln steht meist die Aussage: „Further research is required.“ Das stimmt immer, weil man nie genug weiß über diese unsere Welt. Der Satz gilt hier aber im besonderen Maße, denn wir werden auf jeden Fall weiter die Kommunikation im NPO-Sektor untersuchen. Und würden auch jeder Stiftung und gemeinnützigen Organisation raten, sich sehr genau mit ihren Zielgruppen zu beschäftigen – und keine Angst zu haben! 

Wen wollt ihr erreichen? Was wisst ihr über sie? Und was wisst ihr nicht? Und: Was machen wir jetzt? Wir hoffen, dass wir mit den Daten einen Anstoß gegeben haben.

Wenn uns das Feedback auf die Studie eins gezeigt hat, dann dies: Wir müssen unbedingt vermeiden, dass das kritische Selbstbild des Stiftungssektors zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird!

Über die Studie

Der Stiftungsreport „Mission, Selbstbild, öffentliche Wahrnehmung“ der Redaktionsagentur Nansen & Piccard beschäftigt sich mit der Frage: „Wie blicken Menschen auf die Arbeit von Stiftungen – und was wünschen sie sich von ihnen?“ Für den Report wurde eine repräsentative Studie unter mehr als 2.000 Menschen in Deutschland durchgeführt (2.032 Befragte, YouGov Panel, Feldzeit: 2. bis 4. November 2022). Die relevantesten Ergebnisse zu unterschiedlichen Zielgruppen wurden infografisch aufbereitet. Zusätzlich gibt es Case Studies aus aller Welt (ausgewählt vom NPO-Team von N&P). Der komplette Report lässt sich kostenlos per E-Mail bestellen: report[at]nansenundpiccard[punkt]de

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