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Nachweisbar nachhaltig

Wie können wir Nachhaltigkeit strategisch in der Forschungsförderung verankern? Und lässt sich die gewünschte Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft messen? Ein Werkstattbericht der Fraunhofer-Zukunftsstiftung

Neuer Vorstand, neue Strategie, neues Team. 2020 öffnete sich für die Fraunhofer-Zukunftsstiftung das sprichwörtliche „Window of Opportunity“. Hindurch strömte frischer Wind, der uns beflügelte und in Aufbruchsstimmung versetzte. Der bisherige Förderfokus der Stiftung schien uns nicht mehr zeitgemäß: High-Tech-Forschung, die sich hauptsächlich am Bedarf der Wirtschaft orientiert. Ab jetzt sollte sich die von uns geförderte Forschung verstärkt in den Dienst der Gesellschaft stellen. Nachhaltige Entwicklung wird unser neuer Kompass!

Orientierung suchen 

Im ersten Schritt galt es, den Begriff „Nachhaltigkeit“ für uns greifbar zu machen. Wir wählten die „Sustainable Development Goals“ (SDGs) der Vereinten Nationen als Grundlage für die Definition unseres Nachhaltigkeitsbegriffs. In Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gelten sie als weithin akzeptierter Orientierungsrahmen. Die Weltgemeinschaft verabschiedete diese 17 Nachhaltigkeitsziele mit der Agenda 2030 als anschaulichen Fahrplan in eine nachhaltige Zukunft. Seither sind sie für viele Nationen und Institutionen Richtschnur für eine „Nachhaltige Entwicklung“ und bieten eine Wertebasis, die kooperatives Handeln erleichtert. 

Neben den SDGs eignen sich selbstverständlich auch andere inhaltliche Ableitungen. Für regional verortete Stiftungen beispielsweise die Nachhaltigkeitsstrategien der Bundesländer oder für kirchliche Stiftungen konfessionsbezogene Wertesysteme. Eine Fokussierung auf themenbezogene Zielvereinbarungen bieten etwa das Pariser Klimaschutzabkommen oder die Biodiversitätskonvention. 

Bei uns hielten die SDGs Einzug in die Förderkriterien. Gefördert werden seither ausschließlich Projekte, die „substanziell“ zum Erreichen von mindestens einem Ziel beitragen und „nicht im Konflikt mit einem anderen SDGs stehen“. So unterstützen wir mit dem Projekt „FAVRE“ beispielsweise eine Technologie zum Recyceln von Beton für mehr Klima- und Ressourcenschutz. Im Projekt „WiBACK“ entwickeln Forscherinnen und Forscher eine Lösung, damit im globalen Süden mehr Menschen Zugang zum Internet erhalten und medizinische und schulische Infrastrukturen gestärkt werden.

Bei der Auswahl geeigneter Förderprojekte zeichnet sich spätestens jetzt die Komplexität unseres Vorhabens ab: Wie trägt ein Projekt „substanziell“ zu den SDGs bei und wie kann das gemessen werden?

Wirkung messen 

Als Teil der Fraunhofer-Familie mit ihren zahlreichen Forschungseinrichtungen waren wir zuversichtlich, darauf rasch eine Antwort zu finden. Schließlich messen unsere Kolleginnen und Kollegen regelmäßig die Wirkung von Fraunhofer-Forschung: so etwa die Wissenschaftliche Exzellenz oder den Einfluss auf das Bruttoinlandsprodukt und den wirtschaftlichen Erfolg, der sich für kooperierende Unternehmen ergibt. Auch mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie dem Return on Investment (ROI) sind sie bestens vertraut. Doch bringen diese ökonomischen Kriterien uns hier nicht weiter. Die akademische Fingerübung – für die wir das Messen gesellschaftlicher Wirkung zunächst hielten – stellt sich bis heute als komplexe Herausforderung dar. 

Statt Antworten erhielten wir zunächst nur Gegenfragen – zum Beispiel: „Welche Art von Wirkung wollt ihr messen: Output, Outcome oder Impact?“. Der Umfang und die Detailtiefe offener Fragen veranlassten uns, diese in einem gesonderten Forschungsprojekt bearbeiten zu lassen. Ein interdisziplinäres Team entwickelt Kriterien und Werkzeuge, mit denen wir zukünftig die Nachhaltigkeitswirkungen von Projekten (zumindest in Teilen) messen und verbessern können. Die ersten Ergebnisse werden Ende des Jahres 2022 vorliegen. 

Parallel sind wir auf der Suche nach Gleichgesinnten, um Erfahrungen zu teilen und Kooperationen zu schmieden. Einen fruchtbaren Austausch durften wir kürzlich mit Vertreterinnen und Vertretern der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der Körber-Stiftung und der Carl-Zeiss-Stiftung bei einem Netzwerktreffen führen. Dieser zeigte vor allem, dass forschungsfördernde Stiftungen das große Rad in Bewegung setzen müssen, wenn Nachhaltigkeit bei Projektauswahl und -förderung integriert werden soll. Es wurde aber auch deutlich, dass bereits zahlreiche Gedanken und Konzepte existieren. Einige Anregungen aus Publikationen haben wir in der Infobox zu diesem Artikel zusammengestellt

Kooperation und Partizipation ermöglichen

Nachhaltigkeitsexperten scheinen sich einig: Wer in die Gesellschaft wirken will, muss sich ihr öffnen. Besonders gilt das für angewandte Forschung. Denn statt „Zwangsbeglückung“ aus dem Elfenbeinturm müssen diejenigen, die von Forschung profitieren sollen, frühzeitig einbezogen werden. Anders als im wirtschaftsorientierten Tagesgeschäft von Fraunhofer-Forschenden rücken damit zivilgesellschaftliche Zielgruppen in den Fokus. 

Dieser Perspektivwechsel braucht Ermunterung, Anregung und Begleitung. Konsequenterweise werden deshalb Mittel für Wissenschaftskommunikation und Partizipationsformate fester Bestandteil unserer Förderung. Außerdem fördern wir bevorzugt Projekte mit zivilgesellschaftlichen Kooperationspartnern, wie die Entwicklung der Bildanalyse-Software „EDDA“. Hier arbeitet das Fraunhofer-Team eng mit dem World Food Programme der Vereinten Nationen (WFP) in Krisengebieten vor Ort zusammen, damit Hilfsgüter schnell und sicher zu Notleidenden gelangen.

Den Weg als Ziel erkennen 

Die Suche nach passenden Instrumenten, die messen, inwieweit einzelne Forschungsprojekte sich positiv auf eine Nachhaltige Entwicklung auswirken, wird uns noch länger begleiten. Was wir aber erkannt haben: Der Prozess ist bereits Teil des Ziels! Er ermöglicht allen Beteiligten, ein tiefgreifendes Verständnis davon zu entwickeln, wie wir Nachhaltigkeit innerhalb unseres Wirkungsbereichs befördern können. Im Diskurs nehmen wir Kolleginnen und Kollegen, Gremienvertreterinnen und -vertreter sowie kooperierende Organisationen – vor allem aber die große Forschungsorganisation Fraunhofer – mit auf die Reise. Durch unsere Förderung ermutigen wir Forschende, ihre Arbeiten zu reflektieren und an Lösungen für die globalen Herausforderungen unserer Zeit zu arbeiten. Vor allem bei der jungen Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfahren wir hierfür viel positive Resonanz. 

Räume für Veränderung schaffen  

Unser erstes Resümee: Um die Ziele einer Nachhaltigen Entwicklung stärker in der Forschung zu verankern, braucht es neben inhaltlichen Impulsen vor allem Freiräume für Veränderung und Dialog. Dann mag das weit geöffnete Fenster Wandel schaffen, wie wir ihn erleben durften. Die Wirkung, die wir damit erzeugen, lässt sich zwar (noch) nicht messen – ist aber für uns bereits spürbar. Daher ermuntern wir Sie, uns dabei zu begleiten! Wir planen weitere Austausch- und Vernetzungstreffen. Lassen Sie uns wissen, wenn Sie Interesse haben. Wir freuen uns auf Sie! 

Über die Fraunhofer-Zukunftsstiftung

Die Fraunhofer-Zukunftsstiftung wurde 2008 gegründet und unterstützt und gestaltet heute die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise. Ihre Förderung ermöglicht die Entwicklung von Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen, die einen wichtigen Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen leisten. Die Stiftung orientiert sich dabei an den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (SDGs) und setzt bei der Umsetzung ihrer Projekte auf Kooperationen mit Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Die Fraunhofer-Gesellschaft bildet mit ihren rund 30.000 Forschenden und Mitarbeitenden und ihrer hochwertigen Infrastruktur das Fundament für das Wirken der Stiftung. 

Kontakt:
Sylvia Kloberdanz, Leiterin der Geschäftsstelle der Fraunhofer-Zukunftsstiftung
Hansastr. 27c, 80686 München
sylvia.kloberdanz[at]zv.fraunhofer[punkt]de
Telefon +49 89 1205-1080

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