
Elly Heuss-Knapp-Stiftung, Deutsches Müttergenesungswerk
"Frauen, werbt und wählt, jede Stimme zählt! Jede Stimme wiegt, Frauenwille siegt!" so wirbt die junge Elly Heuss-Knapp 1918 bei Frauen dafür, erstmals zu wählen. Heute ist die Lehrerin, Sozialreformerin, Werbefachfrau und Publizistin vor allem als Frau des ersten Bundespräsidenten und Gründerin einer Stiftung bekannt. Die Idee, Kuren für Mütter zu ermöglichen, war damals hoch innovativ und bleibt aktuell. Bis heute ist Care-Arbeit – Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit – ein Thema in Familien und Frauen stärker engagiert. Was hat sich verändert und wie gelingt es dem Müttergenesungswerk (MGW), relevant und wirksam zu bleiben? Darüber haben wir mit MGW-Geschäftsführerin Rebekka Rupprecht gesprochen.

Wie kam es zur Gründung der Stiftung?
Elly Heuss-Knapp hat sich Zeit ihres Lebens für Frauen eingesetzt. Nach dem zweiten Weltkrieg war die Belastung von Müttern sehr hoch, die oft ganz allein die Familie versorgen mussten. Die Väter waren entweder im Krieg gefallen, wurden vermisst oder als Kriegsgefangene festgehalten. Zudem waren viele Männer nach ihrer Rückkehr aus dem Krieg körperlich oder seelisch versehrt und konnten nicht arbeiten. Im Juli 1949 war Elly Heuss-Knapp vom Bayerischen Mütterdienst nach Stein bei Nürnberg eingeladen worden und lernte dort die Arbeit des Mütterdienstes unter Leitung von Antonie Nopitsch kennen. Sie war schwer beeindruckt davon und gleichzeitig ließ sie die Not der Mütter nicht mehr los.
Die Wahl von Theodor Heuss zum Bundespräsidenten zeichnete sich bereits ab und Elly Heuss-Knapp versprach, sich für die „Sache der Mütter“ stark zu machen. Mit der Kraft ihres Netzwerks, das Elly sich im Laufe ihrer politischen Karriere und ihres gesellschaftlichen Engagements erarbeitet hatte, nutzte sie ihre neue Rolle als erste „First Lady“ der Bundesrepublik, um das Thema Müttergesundheit ins Zentrum zu rücken und die Wohlfahrtsverbände zur Zusammenarbeit an einen Tisch zu bringen. Bereits im Dezember 1949 trafen sich Vertreter*innen der Frauenarbeit der Wohlfahrtsverbände in Bonn und beschlossen dort die Gründung des „Deutschen Müttergenesungswerks“. In der Radioansprache vom 31. Januar 1950, dem Geburtstag von Theodor Heuss, gab Elly Heuss-Knapp die Gründung der Stiftung bekannt und warb um Unterstützung. Der Begriff Müttergenesung bezog sich dabei auf die weltweit einzigartigen Kurmaßnahmen, die bis heute den gesundheitsfördernden, ganzheitlichen und gendersensiblen Charakter behalten haben und genauso relevant sind, wie zur Gründung des MGW. Denn auch heute noch sind diejenigen, die Care-Arbeit, Haushalt und berufliche Belastung parallel leisten, gesundheitlich sehr belastet, allen voran die Mütter.
Welche Meilensteine haben Sie mit der Stiftung in den 75 Jahren erlebt?
Das Müttergenesungswerk ist bis heute die Organisation, die sich federführend für die Verbesserung von Rahmenbedingungen im Sinne der Gesundheit von Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen einsetzt. Eine der ersten wichtigen Errungenschaften war die gesetzliche Verankerung der Kurmaßnahmen im SGB V im Jahr 1989, damals noch als Satzungsleistung. 2002 konnte dies geändert werden und die Krankenkassen wurden gesetzlich verpflichtet, die Kuren vollständig zu finanzieren. Zudem wurden auch Kurmaßnahmen für Väter im Gesetz verankert. Die Ablehnungsquoten waren jedoch weiterhin sehr hoch. Mit der Gesundheitsreform 2007 wurden die Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen schließlich zur Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen.
Dies und auch spätere Anpassungen der Rahmenbedingungen haben den Zugang für Kurbedürftige deutlich verbessert und die Ablehnungsquoten stark reduziert. Inzwischen sind sie sehr niedrig. Vor allem, wer einen Antrag auf eine Kurmaßnahme über eine Beratungsstelle im Müttergenesungswerk stellt, wird selbst im Falle einer Ablehnung mit einem Widerspruch sehr wahrscheinlich Erfolg haben. In diesen Fällen werden nur drei Prozent der gestellten Anträge abgelehnt, wie aus unseren Zahlen hervorgeht.
Die öffentliche Diskussion um Care-Arbeit hat sich verändert und die Forderung nach Anerkennung dieser unbezahlten Arbeit wird lauter. Care-Arbeit betrifft zwar vorrangig Mütter, aber nicht ausschließlich. Auch Väter und andere Pflegepersonen gewinnen an Bedeutung. Wie schlägt sich das in der Stiftungsarbeit nieder?
Es ist richtig, dass Frauen noch immer den Löwenanteil an der Care-Arbeit übernehmen. Das Müttergenesungswerk hat gesellschaftliche Veränderungen jedoch stets im Blick. So ist der Anspruch von Vätern auf eine Kurmaßnahme ebenso im Gesetz mitgedacht und seit 2013 bieten wir auch Kurmaßnahmen für Väter und pflegende Angehörige an. Der Anspruch für pflegende Angehörige wurde übrigens durch das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) im Jahre 2012 im SGB V verankert.
Immer noch nehmen wesentlich mehr Mütter an einer Kurmaßnahme teil. Die steigende Zahl der Väter in Kurmaßnahmen im Verbund des MGW spiegelt jedoch, wie sich auch gesellschaftlich Rollenbilder und -erwartungen verändern und damit auch der Bedarf an gesundheitlichen Maßnahmen. Von 2022 auf 2023 stieg die Anzahl der Väter in Kurmaßnahmen im Verbund des Müttergenesungswerks um 30 Prozent auf rund 3.000 Väter an.
Über die Gesprächspartnerin

Rebekka Rupprecht ist Geschäftsführerin des Müttergenesungswerkes.
Über das Müttergenesungswerk

Die Elly Heuss-Knapp-Stiftung, Deutsches Müttergenesungswerk (MGW) wurde 1950 von Elly Heuss-Knapp, der Frau des ersten Bundespräsidenten, gegründet. Ziel der gemeinnützigen Stiftung ist die Gesundheit von Müttern und inzwischen auch von Vätern und pflegenden Angehörigen. Unter dem Dach des MGW arbeiten fünf Wohlfahrtsverbände bzw. deren Fachverband/Arbeitsgemeinschaft (AWO, DRK, EVA, KAG, Parität) zusammen. Besonders zeichnet sich das MGW durch ganzheitliche und gendersensible Kurmaßnahmen und das Konzept der Therapeutischen Kette im MGW-Verbund aus. Diese umfasst die kostenlose Beratung der Betroffenen bei fast 900 Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände rund um die Kurmaßnahmen sowie die Kurmaßnahme in den über 70 vom MGW anerkannten Kliniken für Mütter und Mutter-Kind bzw. Väter und Vater-Kind sowie pflegende Angehörige und die Nachsorgeangebote vor Ort.
Alle anerkannten Kliniken tragen das MGW-Qualitätssiegel. Die Stiftung steht unter der Schirmherrschaft der Frau des Bundespräsidenten Elke Büdenbender. Das Müttergenesungswerk benötigt Spenden, z. B. zur Unterstützung einkommensschwacher Mütter und ihrer Kinder bei der Durchführung einer Kurmaßnahme, für Beratung und Nachsorgeangebote sowie für Informations- und Aufklärungsarbeit.
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