• Deutscher Stiftungstag 2025

„Mut als zivile, transformierende Kraft“

Die Vorbereitungen zum Deutschen Stiftungstag 2025 sind in vollem Gange. Dieses Jahr kommt der Sektor unter dem Thema „Mutig machen. Wie Stiftungen das Miteinander stärken“ in Wiesbaden zusammen. Im Interview erklärt Friederike v. Bünau, Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, was das Veranstaltungsthema mit der derzeitigen gesellschaftspolitischen Lage zu tun hat und worauf die Teilnehmenden des Stiftungstages sich freuen können. 

5 Minuten 25.02.2025

Mut hat viele Facetten. Wie würden Sie Mut definieren – und wen finden Sie mutig?

Für mich bedeutet Mut, für die eigenen Überzeugungen einzustehen und dafür sowohl Risiken einzugehen als auch Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Mir fallen dazu aktuell Alexei Nawalny ein, oder auch die Frauen im Iran, die sich nicht in die für sie vorgesehenen Rollen zwängen lassen. Aber auch in unserem Land gibt es viele Menschen, die sich nicht einschüchtern lassen, solidarische Werte hochhalten und sich gegen Polarisierung einsetzen. 

Bei allem, was in der Welt passiert, macht sich bei vielen Menschen zurzeit eher Mutlosigkeit breit. Haben Sie einen Tipp, was gegen die Resignation hilft? 

Mir persönlich hilft es, ins Tun zu kommen, mich mit Menschen zusammenzuschließen, mit denen ich gemeinsam etwas voranbringen kann. Jeder und jede von uns kann etwas im direkten Umfeld verändern, am Arbeitsplatz, im Sportverein, in der Nachbarschaft. Aber es ist nicht zu leugnen, dass die Weltlage aufs Gemüt drückt, dass Gewissheiten ins Wanken geraten. Daher kann diese Form des aktiven Engagements zusätzliche Überwindung kosten. Vielleicht hilft es, sich immer wieder klarzumachen: Es braucht gar nicht unbedingt viel. Auch Veränderungen im Kleinen können in der Summe etwas bewegen. 

Die Überschrift des Deutschen Stiftungstages 2025 in Wiesbaden lautet „Mutig machen. Wie Stiftungen das Miteinander stärken“. Wie passt dieses Thema in unsere Zeit?

Wir befinden uns in einem Jahr großer Richtungsentscheidungen, für Deutschland genauso wie für Europa und das internationale Gefüge. An den Kämpfen, die um bestimmte Themen ausgefochten werden, sieht man, dass die Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte nicht nur eine Erfolgsgeschichte war, sondern auch Verlierer*innen hervorgebracht hat, die nun – teils legitim, teils mit erschütternd antidemokratischem Furor – gegen bestehende Strukturen und Werteordnungen ins Feld ziehen. Stiftungen können als Teil der Zivilgesellschaft diese Tendenzen gut wahrnehmen, manchmal vielleicht sogar schneller als die Politik. Und sie können sich angesichts ihrer besonderen Organisationsform auch etwas trauen, um dagegen aktiv zu werden. Besonders wichtig ist Stiftungsarbeit dieser Tage auf der lokalen Ebene, denn wenn Menschen sich in unsicheren Zeiten noch irgendwo aufgehoben und verstanden fühlen, dann hier. 

Dass Stiftungen als gemeinnützige Organisationen das Miteinander stärken, ist an sich nichts Neues. Oder ist hier ein bestimmter Trend zu verzeichnen?

Ein aktueller Trend ist auf jeden Fall, dass Stiftungen den Wert von Kooperationen noch mehr erkennen und sich verstärkt in Netzwerken engagieren. Vor Ort gibt es immer mehr starke Stiftungsinitiativen, in denen mehrere Beteiligte gemeinsam Projekte in ihrer Region anstoßen.  Im Rahmen der Initiative „Zukunftswege Ost“ bündeln die Beteiligten ihre Kräfte, um die Zivilgesellschaft in Ostdeutschland zu stärken. Ein anderes Beispiel für Kooperationen ist die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“. Sie entwickelt unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Vorschläge zur Stärkung staatlicher Handlungsfähigkeit - unterstützt von vier großen Stiftungen. Auch der Media Forward Fund kommt mir in den Kopf: ein Zusammenschluss von großen Stiftungen und Geldgeber*innen, um Innovationsprojekte und Neugründungen im Bereich des unabhängigen Journalismus zu fördern. 

Im Interview erklärt Friederike v. Bünau, Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, was das Veranstaltungsthema mit der derzeitigen gesellschaftspolitischen Lage zu tun hat.
© David Ausserhofer

 

Mit welchen Akteur*innen sollten Stiftungen zusammenarbeiten?

Mit allen, die ihre Werte und Anliegen teilen. Nehmen Sie die „GoVote“-Kampagne in Hamburg, die gerade wochenlang mit cleveren Slogans und Visuals dafür getrommelt hat, Menschen zur Teilnahme an der Bundestags-  und der Bürgerschaftswahl zu bewegen. Die Aktion angestoßen hat die Toepfer Stiftung. Erfolgreich wurde sie aber nur, weil am Ende fast 200 Organisationen mitgemacht haben, darunter die Kirchen, zahlreiche Wirtschafts- und Sportverbände und die Kulturszene. Dass die Menschen ihr Kreuz auf dem Wahlzettel machen, ist so ein wichtiges Anliegen, dass es eine erstaunliche Breite von Akteur*innen zusammengebracht hat, die sonst nicht unbedingt geschlossen auftreten. 

Es gibt auch das hässliche Wort „Gratismut“. Damit wird versucht, Aktionen in Misskredit zu bringen, deren zentrales Anliegen vermeintlich sowieso schon gesellschaftlicher Konsens ist.

Diese Kritik geht aber an der Wirklichkeit vorbei, in der wir leben. Es ist heute ja eben kein Konsens mehr, demokratische Parteien zu wählen und für eine weltoffene, liberale Gesellschaft einzutreten. An vielen Orten in Deutschland können Ehrenamtliche und Engagierte mittlerweile ein Lied davon singen, was es sie kostet, im Gespräch mit Mitbürger*innen und Nachbar*innen für Grundwerte einzustehen und diese gegen teils heftige Anfechtungen zu verteidigen. Wenn man heute für irgendetwas Mut braucht, dann für genau diese Art der Auseinandersetzung. Im Übrigen ist es ja auch kein Zufall, dass so viele Stiftungsinitiativen zurzeit ihren Fokus ganz grundsätzlich auf Demokratieförderung legen, etwa die Hertie-Stiftung und die Robert Bosch Stiftung mit ihrem „Business Council for Democracy“. Die wollen sich keineswegs nur bestätigen lassen, sondern leisten im Gegenteil wichtige Basisarbeit. 

Lässt sich darüber die schweigende Mehrheit in unserer Gesellschaft aktivieren?

Die schweigende Mehrheit ist insofern ein Problem, als diejenigen, die schweigen, von allen anderen gern vereinnahmt werden. So entstehen Zerrbilder in den Köpfen. Deshalb suchen viele Stiftungen auch nach Wegen, das Schweigen zu durchbrechen, und animieren dazu, Gesicht und Haltung zu zeigen. Ein Beispiel, wie sich Mut in Windeseile verbreiten kann, sind die aktuellen Demokratie-Demos überall im Land. Menschen, die daran teilnehmen oder Bilder davon in den Medien sehen, merken: Da sind ja noch andere, die so denken wie ich! Diese Erkenntnis – als Gegengewicht zu den vielen destruktiven News, die täglich auf uns einprasseln – ist enorm bestärkend und kann gesamtgesellschaftlich vieles in Gang setzen. Um das deutlich zu sagen: Es gibt kaum etwas Ehrenhafteres, als für unsere Demokratie friedlich auf die Straße zu gehen. 

Mut und Angst haben etwas gemeinsam: Sie sind ansteckend. Ist es auch ein Anliegen des Deutschen Stiftungstages, neue Allianzen gegen die Verzagtheit zu schmieden?

Unbedingt. Wir Stiftungsengagierten wollen und müssen uns begegnen, austauschen, voneinander lernen und einander bestärken, um danach mit neuer Zuversicht in die Welt hinauszugehen. Das ist zunächst einmal ganz grundsätzlich die Idee hinter dem Stiftungstag. in diesem Jahr ist aber auch unser inhaltliches Programm konsequent auf Mut als zivile, transformierende Kraft ausgerichtet. 

Welche Rolle spielt Wiesbaden als Veranstaltungsort?

Wiesbaden hat eine ausgesprochen aktive Bürger*innengesellschaft, die in den vergangenen Jahren sehr vieles auf die Beine gestellt hat. Ich denke da zum Beispiel an die Wiesbaden Stiftung, die sich für das Ansehen und die Vielfalt der Landeshauptstadt einsetzt und einen ihrer Schwerpunkte auf Kinder- und Jugendprojekte legt. Oder an die 2011 gegründete Landesstiftung „Miteinander in Hessen“, die das bürgerschaftliche Engagement fördert. Allen Kunst- und Architekturinteressierten empfehle ich einen Besuch im Museum Reinhard Ernst, dem jüngst eröffneten Ausstellungshaus für abstrakte Kunst, das von der Stiftung des Namensgebers und seiner Frau getragen wird.

Schauen wir auf das Programm des Stiftungstages. Welche Highlights sind geplant?

Ich freue mich sehr, dass wir für die Eröffnung unseren früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck gewinnen konnten, der als Pastor und Bürgerrechtler in der DDR persönlich viel Mut bewiesen und Tausende andere damit angesteckt hat. Auf den Veranstaltungen des Stiftungstages treten so herausragende Gäste wie Düzen Tekkal, Andreas Voßkuhle, Aleida Assmann, Eva Menasse oder Markus Beckedahl auf, die in unserer Gesellschaft immer wieder couragiert ihre Stimme erheben, wenn es um Menschen- und Bürgerrechte, Demokratie und das zivile Miteinander geht. Natürlich wird es auch sehr konkrete Einblicke in mutiges Stiftungshandeln geben, etwa im Rahmen einer Pecha-Kucha-Session. 

Worauf freuen Sie sich am meisten? 

Auf die Menschen und ihre individuellen Ansätze, unsere Gesellschaft mitzugestalten. Ganz besonders freue ich mich auch darauf, dass in diesem Jahr wieder so viele Akteur*innen aus Politik und Gesellschaft beim Stiftungstag dabei sein werden. Auf diese Weise laufen wir als Stiftungen nicht Gefahr, uns nur um uns selbst zu drehen, sondern gehen direkt in den sektorübergreifenden Austausch. 

 

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