Drei Fragen an ...
die Freudenberg-Stiftung zur Initiative "Zukunftswege Ost"

Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung unterscheiden sich die Stiftungslandschaften in Ost- und Westdeutschland deutlich: Die Stiftungsdichte (Zahl der Stiftungen pro Einwohner*innen) ist im Osten nur etwa halb so hoch wie im Westen. Dabei gibt es auch dort eine starke und sehr aktive Zivilgesellschaft, die zum Teil unter herausfordernden Rahmenbedingungen arbeitet. Um das zivilgesellschaftliche Engagement in Ostdeutschland sowie die demokratische Kultur zu stärken, hat der Bundesverband Deutscher Stiftung gemeinsam mit vier Mitgliedstiftungen im Juli 2024 die Gemeinschaftsinitiative Zukunftswege Ost ins Leben gerufen. Die Freudenberg Stiftung ist seit Beginn an dabei. Am Tag der Deutschen Einheit ziehen wir mit Geschäftsführer Stefan Vogt eine erste Bilanz. 

© Edda Gehrmann / Zukunftswege Ost
4 Minuten 01.10.2025
Gesprächspartner: Stefan Vogt

Ihre Stiftung sitzt in Baden-Württemberg. Wieso engagieren Sie sich dennoch für eine starke Zivilgesellschaft im Osten des Landes? 

Die Freudenberg Stiftung ist bundesweit tätig, und für uns ist klar: Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt machen nicht an Landesgrenzen halt. Die Herausforderungen, die wir im Osten sehen – von Abwanderung und Fachkräftemangel bis zu schwächeren Infrastrukturen für zivilgesellschaftliches Engagement – betreffen die demokratische Kultur in ganz Deutschland. Gerade weil es im Osten eine engagierte, kreative und widerstandsfähige Zivilgesellschaft gibt, wollen wir sie stärken und sichtbar machen. Es ist eine Frage der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, nicht der regionalen Zuständigkeit.  

Seit mehr als einem Jahr gibt es nun die Stiftungsinitiative Zukunftswege Ost. Auf welche Meilensteine blicken Sie zurück? 

Ein Jahr klingt zunächst nicht lang, aber wir haben in dieser Zeit viel bewegt: Wir sind mit vier Stiftungen und dem Bundesverband gestartet. Inzwischen sind mehr als ein Dutzend Partner*innen Teil der Initiative. Gemeinsam konnten wir drei Fokusregionen in Ostdeutschland aufbauen, in denen wir mit lokalen Akteurinnen langfristige Netzwerke zur Stärkung von Demokratie und Teilhabe anstoßen. Darüber hinaus wurden innerhalb eines Jahres in sechs Förderrunden in 65 ostdeutschen Landkreisen und kreisfreien Städten aus mehr als 1.200 eingereichten Anträgen mehr als 200 Projekte mit jeweils bis zu 5.000 EUR gefördert. Die Jury, die diese Förderungen vergibt, setzt sich multiprofessionell zusammen und besteht vor allem aus Menschen aus Ostdeutschland. Außerdem haben wir den GenOst Jugendfonds aufgebaut, der über eine Jugendjury ganz ähnliches tut: Jugendengagement für eine offene Gesellschaft fördern.  

Doch was vielleicht noch wichtiger ist:  Wir haben bundesweite Aufmerksamkeit erzeugt – nicht zuletzt bei den Deutschen Stiftungstagen in Hannover und Wiesbaden oder im Rahmen von öffentlichen Debatten, in denen Zukunftswege Ost als Stimme der Zivilgesellschaft gehört wird. Für mich ist es auch ein entscheidender Meilenstein, dass es gelungen ist, Vertrauen zwischen west- und ostdeutschen Partner*innen aufzubauen und voneinander zu lernen. 

Welche konkrete Unterstützung bieten Sie zivilgesellschaftlichen Organisationen im Osten? 

Wir wollen den zivilgesellschaftlichen Akteur*innen vor Ort vor allem signalisieren: Wir sind für Euch da. Die Lage in vielen Kommunen ist dramatisch. Engagierte sind an vielen Orten Anfeindungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Dazu kommt, dass sowohl in Landes- als auch Kommunalparlamenten rechtsextreme Fraktionen darüber bestimmen, wie öffentliche Förderung verteilt wird. Das heißt, es kommt neben dem Druck auf der Straße auch noch dazu, dass unliebsame Strukturen bewusst ausgetrocknet werden. Die Lage ist wirklich beunruhigend.  

Wenn es einen wirklichen Erfolg der Initiative gibt, dann den, dass sich auch Stiftungen ein deutlich besseres Bild von dieser Dramatik machen können, selbst wenn sie in Hamburg, Frankfurt oder im beschaulichen Baden-Württemberg sitzen. Wir wollen vor allem verlässliche Förderung und partnerschaftliche Begleitung für die Menschen vor Ort. Das heißt, wir finanzieren nicht nur Projekte, sondern wir helfen auch, Strukturen zu stabilisieren – etwa indem wir Organisationsentwicklung, Netzwerkarbeit oder Qualifizierung unterstützen.  

Unsere Erfahrung als Stiftungsverbund hilft uns dabei, tragfähige Strukturen aufzubauen. Wir haben gelernt, wie man Politik und Verwaltung einbindet und wie man langfristig Wirkung erzeugt: nicht als Sprint, sondern als Marathon.  

Und schließlich setzen wir auf Vernetzung: Wir bieten zivilgesellschaftlichen Akteur*innen aus Ostdeutschland eine Plattform, um ihre Themen auch bundesweit zu platzieren und Zugang zu Förderer*innen, Partner*innen und Strukturen zu bekommen, die ihnen sonst vielleicht verschlossen wären. 

Das Versprechen, in langfristige Strukturen zu investieren, funktioniert nur, wenn es uns gelingt, auch die geldgebenden Stiftungen langfristig an Zukunftswege Ost und an den vor uns liegenden Marathon zu binden. Wir hoffen, dass wir so das Versprechen an die Leute vor Ort, für sie da zu sein, auch tatsächlich einlösen können.  

Weiterführende Informationen


 

Über die Stiftung

Die Freudenberg Stiftung setzt sich seit 1984 dafür ein, demokratische Kultur zu stärken und soziale Inklusion voranzubringen. Sie arbeitet dabei eng mit Partnern aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung zusammen und entwickelt gemeinsam mit ihnen langfristige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen. Ihr Handeln folgt der Leitidee, dass Demokratie und Inklusion nicht Projekte sind, sondern dauerhafte, gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind. 

Über die Initiative

Die Gemeinschaftsinitiative Zukunftswege Ost bündelt seit 2024 private Mittel von Stiftungen, Unternehmen und Privatpersonen für die Zivilgesellschaft in Ostdeutschland. Durch einen Mikrofonds, den Gen Ost JugendFonds, Strukturförderungen und starke Netzwerke wird das demokratischen Miteinander im ländlichen und strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands gestärkt.  
Mehr Informationen: Start - Gemeinschaftsinitative Zukunftswege Ost  
LinkedIn: @Gemeinschaftsinitiative Zukunftswege Ost 
Instagram:  @gemeinsam_zukunftswegeost 

 

Über den Gesprächspartner

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