“Definieren Sie zuerst Ihre eigenen Wertvorstellungen und Prioritäten.”
Von Anlagestrategie bis Zweckerfüllung: In der Online-Vermögenssprechstunde beantwortet Dieter Lehmann, Leiter der Abteilung Vermögensanlage bei der VolkswagenStiftung, regelmäßig Fragen unserer Mitglieder rund ums Thema Kapitalanlage. Wir stellen sechs wichtige Themen aus den Veranstaltungen in diesem Jahr für Sie zusammen. Die nächste Online-Sprechstunde findet am 18. September 2025 statt.
1. Welche Erfahrung haben Sie für die Definition von Kriterien zur nachhaltigen Vermögensanlage?
Dieter Lehmann: In den vergangenen Jahren habe ich zunehmend erfahren, dass die Vielzahl neuer Verordnungen, Verlautbarungen und Anforderungen die Lage für Anleger und Anlegerinnen immer komplizierter macht und dabei Unsicherheit schafft.
Meine Empfehlung lautet daher: Überlegen Sie, was im Sinne der Stiftung ist und entscheiden Sie im zuständigen Gremium, welche Finanzanlageprodukte geeignet sind. Es geht darum, individuelle ethische, soziale und ökologische Grundsätze für den Erhalt und die ertragreiche Anlage des Grundstockvermögens zu definieren. Ein Beispiel hierfür sind Ausschlusskriterien, auch „schwarze Listen“ genannt, die spezifischen Bereiche, Branchen oder Praktiken aufführen, die man in der Vermögensverwaltung meiden möchte oder sollte.
Zu den klassischen Ausschlussbranchen, die hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Eignung von vielen unterdessen wieder gegeneinander abgewogen werden, zählen etwa die Rüstungsindustrie, die durch den Ukraine-Konflikt eine neue Brisanz gewonnen hat, und die Atomenergie, die mittlerweile von der EU als „grüne“ Energiequelle anerkannt wird. Auch die Automobilindustrie, die neben Verbrennungstechnologien Milliarden in neue Antriebsarten wie Elektromobilität oder Wasserstoff investiert, befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess – einer Entwicklung, die auch auf privates Kapital angewiesen ist.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass nicht alle Kriterien und Standards universell zu erfüllen sind und wie differenziert Meinungen und Anlagestrategien im Bereich nachhaltiger Vermögensanlagen geworden sind. Definieren Sie daher zuerst Ihre eigenen Wertvorstellungen und Prioritäten und suchen Sie anschließend anhand Ihrer Anlagestrategie passendende nachhaltige Produkte aus. Mit einer klar definierten Position, die auch in den Anlagerichtlinien von Stiftungen verankert werden kann, lassen sich Entscheidungen gegenüber verschiedenen Interpretationen von Nachhaltigkeit intern wie auch extern überzeugend vertreten und authentisch begründen.
2. Wie bewerten Sie die Vorteile eines Investmentfonds für eine Stiftung?
Dieter Lehmann: Ein Investmentfonds besteht in der Regel aus einer Vielzahl von Anleihen oder Aktien, die nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden. Der Hauptvorteil eines solchen Fonds ist die Risikostreuung, die sowohl Chancen als auch Risiken abmildert, indem er unterschiedliche Emittenten und Anlageklassen umfasst.
Wer auf reine Diversifikation setzt, etwa durch die Abbildung eines Index, ist mit einem klassischen Investmentfonds nicht unbedingt am besten beraten. Diese sind oft mit hohen Kosten verbunden, etwa Ausgabeaufschläge und Rücknahmeabschläge. Eine Alternative dazu sind ETFs, die im Wesentlichen passiv gemanagte Fonds sind und zusätzliche Vorteile haben: Sie sind in der Regel preiswerter, täglich an der Börse handelbar und bieten die nötige Flexibilität.
Möchte man jedoch nicht nur passiv investieren, sondern durch selektives Management und Titelauswahl eine bessere Performance erreichen als der Index, greift die Besonderheit von Fonds. Für größere Volumina – ab etwa 25 Millionen Euro – kommt auch ein Spezialfonds infrage. In diesen investieren nur die Anleger und Anlegerinnen, die den Fonds aufsetzen und geben damit die Inhalte sowie die Ziele vor. Dabei sind sie häufig günstiger als Publikumsfonds und bieten vor allem für gemeinnützige Stiftungen zusätzlich steuerliche Vorteile, etwa bei der Beantragung der Erstattung einbehaltener Quellensteuer.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, die Vorteile eines Investmentfonds zu nutzen. Es gibt aber auch einige Nachteile, insbesondere hinsichtlich der Kosten. Die Wahl des richtigen Fonds hängt letztlich von den individuellen Zielen und dem zur Verfügung stehenden Kapital ab.
3. Sie haben gerade ETFs angesprochen – ist es möglich, diese thesaurierend zu halten, oder bleibt es ausschließlich bei der Ausschüttung?
Dieter Lehmann: Wir sprachen eben über Investmentfonds, Publikumsfonds. Dort ist die Frage genauso zu stellen. Vor der Stiftungsrechtsreform hätte ich stets betont, dass ausschüttende ETFs oder Investmentfonds die bevorzugte Wahl für Stiftungen sind. Der Grund: Sie entsprechen dem meist satzungsmäßigen Auftrag, das Vermögen möglichst ertragreich anzulegen – und mit „ertragreich“ sind ordentliche Erträge, wie etwa Zinsen, Dividenden oder Mieteinnahmen gemeint.
Nach Inkrafttreten der Reform kann man durchaus sagen, dass beide Ansätze denkbar sind. So lassen sich die bei den ETFs aufgelaufenen Kursgewinne auch durch Verkäufe oder Teilverkäufe realisieren, wodurch sie Teil der sogenannten Umschichtungsrücklage werden und deshalb theoretisch mit zur Verwirklichung des Stiftungszwecks eingesetzt werden können.
Dennoch bleibt meine Präferenz beim klassischen Ansatz, der primär auf ordentliche Erträge setzt. Die thesaurierende Komponente würde ich dabei eher als Ergänzung betrachten.
4. Wie beurteilen Sie den Einsatz von Aktienanleihen oder Diskontzertifikaten in Stiftungsdepots?
Dieter Lehmann: Das löst bei mir gemischte Gefühle aus. Bei Aktienanleihen geht es darum, dass man eine Anleihe kauft, die am Endfälligkeitstag entweder zu hundert Prozent nominal zurückgezahlt oder eine bestimmte Anzahl von Aktien ausgeliefert wird. Sehr verwandt sind im Übrigen die sogenannten Wandelanleihen, bei denen die Umwandlungsmöglichkeit in Aktien innerhalb einer Wandlungsfrist stattfindet. Ansonsten sind auch viele Parallelen zu der klassischen Aktienanleihe zu sehen.
Bei Diskontzertifikaten selbst kaufen Sie zunächst ein Zertifikat, das beispielsweise eine Aktie unter ihrem aktuellen Börsenkurs abbildet, und verkaufen zugleich eine Kaufoption zu einem Preis, der über dem Marktkurs liegt und der den maximalen Auszahlungsbetrag des Zertifikats festlegt. Ist der Kurs der Aktie am Endfälligkeitstag unter den bei Abschluss definierten Wert gefallen, muss man die Aktie zum vereinbarten Preis, also in diesem Fall mit sofortigem Kursverlust, abnehmen. Bei Diskontzertifikaten fallen keine Zinseinnahmen oder laufende Dividenden an, da es lediglich um den Gewinn zwischen dem Zertifikatspreis und dem nach oben begrenzten Zugewinn geht.
5. Ist Gold für eine kleine Stiftung als physische Anlage sinnvoll?
Dieter Lehmann: Gold hat in den letzten Wochen und Monaten einen sehr starken Preisauftrieb erfahren und hat für viele Anleger und Anlegerinnen wieder an Attraktivität gewonnen. Auf einer übergeordneten Ebene betrachtet spiegelt der Gold-Kursaufschwung die geopolitischen Unsicherheiten wider, die aktuell durch weltweite politische Spannungen und wirtschaftliche Instabilitäten ausgelöst werden.
Zunächst ist zu sagen, dass Gold als physische Anlage keine ordentlichen Erträge abwirft, wobei auch hier nach der neuen Stiftungsreform die Kursgewinne zur Zweckverwirklichung eingesetzt werden könnten. Dennoch muss gründlich überlegt werden, ob man damit gut aufgestellt ist.
Alternativ könnten Goldminenaktien als Aktien mit Dividenden einen größeren Beitrag zur Diversifikation liefern. Das bleibt jedoch am Ende auch eine Geschmackssache. Während Gold landläufig als sichere Anlage angesehen wird – was ich nicht unbedingt für gerechtfertigt halte – gelten Aktien dagegen eher als Risikoanlage. Sollte man sich für physisches Gold entscheiden, gilt es jedoch auch zu beachten, wie man es lagert und welche zusätzlichen Kosten dabei entstehen.
6. Wie sinnvoll sind Rentenfonds noch als Sicherheitsbaustein in Bezug auf die Kursverluste in den letzten Jahren?
Dieter Lehmann: Der bereits zurückliegende Zinsanstieg belastete Rentenfonds durch Kursrückgänge der Fondsanteile, die auf die entsprechenden Kursrückgänge der in den Fonds verwalteten verzinslichen Wertpapiere zurückzuführen waren.
Viele Fondsmanagerinnen und Fondsmanager haben innerhalb der Fonds diese im Kurswert gefallenen Wertpapiere mit Verlust verkauft, um dann Anleihen mit dem entstandenen höheren Marktzins zu erwerben. Zwar wird so der laufende Zinsertrag ggf. verbessert, jedoch zum Preis der vollständigen Wertaufholung der Anleihen am Laufzeitende bei Rückzahlung zum Nennwert, da dies ja unabhängig von der Marktzinsentwicklung stattfindet. Zumindest bei den innerhalb des Fonds zu einem Kurswert von unter 100% erworbenen Anleihen trifft das zu – ein Aspekt, der oft übersehen wird. Im Ergebnis dessen werden diese Rentenfonds wahrscheinlich noch etwas Zeit brauchen, bis sie den ursprünglichen Preis ihrer Anteile vor dem Zinsanstieg wieder erreichen, je nachdem, ob und wie stark die Zinsen am Markt wieder sinken.
Historisch gesehen konnten Renten und Rentenfonds das Kapital real nie erhalten – Inflation und Geldentwertung verhindern dies., zumal nach § 62 Abgabenordnung nur ein Drittel des Überschusses aus Vermögensbewirtschaftung, dessen Grundlage z.B. die Zinserträge bilden, dem Kapital zu seiner realen Werterhaltung zugeführt werden darf, und weil ein verzinsliches Wertpapier am Ende seiner Laufzeit eben zu 100 % zurückgezahlt wird. Durch das Halten von Anleihen bis zur Endfälligkeit wäre deshalb jedoch zumindest eine nominelle Kapitalerhaltung möglich. Renten und Rentenfonds sollten daher vor allem der Erwirtschaftung ordentlicher (Zins-)Erträge zur Verwirklichung des Stiftungszwecks dienen und weniger mit dem Ziel erworben werden, damit das Kapital real erhalten zu wollen.
Über den Gesprächspartner
Dieter Lehmann ist Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter der Abteilung Vermögensanlage der VolkswagenStiftung. Im Bundesverband Deutscher Stiftungen leitet er den Arbeitskreis Stiftungsvermögen und Immobilien.
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