Die Stiftung im Rechtsstreit - Teil 2 der Serie zum neuen Stiftungsrecht
Stiftungen können genauso wie andere juristische Personen in Rechtsstreitigkeiten verwickelt sein und Rechtsschutz benötigen. Im Zuge der Stiftungsrechtsreform blieb der große Wurf in Bezug auf die Klagemöglichkeiten jedoch aus.
Gleichwohl finden sich im reformierten Stiftungsrecht zumindest einige Hinweise auf die Rolle der Stiftungsorgane in einem möglichen Rechtsstreit. So normiert § 83 Abs. 2 BGB zunächst, dass die Stiftungsorgane bei ihrer Tätigkeit für die Stiftung den bei der Errichtung der Stiftung zum Ausdruck gekommenen Willen des Stifters zu beachten haben. Gem. § 84b Satz 2 BGB ist ein Organmitglied nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Stiftung betrifft.
Die Stiftung kann sowohl vor dem Zivilgericht als auch vor dem Verwaltungsgericht Partei eines Rechtsstreits sein. Vor dem Verwaltungsgericht können im Wesentlichen nur Rechtsstreitigkeiten mit der Stiftungsbehörde ausgetragen werden, während vor dem Zivilgericht etwa Konflikte zwischen den Stiftungsorganen entschieden werden.
Streitigkeiten zwischen Stiftungsorganen
Wie kann so ein Rechtsstreit zwischen den Organmitgliedern aussehen und wie können diese – unter Zuhilfenahme des Gerichts – den Stifterwillen durchsetzen?
Sind einzelne Stiftungsorgane oder gar ein anderes Stiftungsorgan der Meinung, dass ein Beschluss fehlerhaft zustande gekommen ist, sollten sie zunächst immer versuchen, den Konflikt, ggf. auch unter Zuhilfenahme der Stiftungsbehörde, zu lösen. Sollte sich keine Einigkeit erzielen lassen, können und müssen die Organe oder Organmitglieder Feststellungsklage gem. § 256 ZPO vor den Zivilgerichten erheben, um die Unwirksamkeit des Beschlusses feststellen zu lassen.
Gehen wir von einem fiktiven Beispielfall aus:
Der Vorstand einer Stiftung besteht aus den drei Mitgliedern A, B und C. Die Mitglieder A und B mögen C persönlich nicht und möchten ihn aus dem Vorstand entfernen. In der Beschlussfassung stimmen A und B für dessen Abberufung aus wichtigem Grund und teilen C mit, dass er hinsichtlich seiner eigenen Abberufung kein Stimmrecht habe.
C möchte nun Klage erheben und die Unwirksamkeit seiner Abberufung feststellen lassen.
Klageerhebung
Klagen müssen schriftlich erhoben werden. Vor dem Amtsgericht können sie auch mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle erhoben werden.
Sachlich zuständig ist in der ersten Instanz für Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstandswert EUR 5.000 nicht übersteigt, das Amtsgericht in Zivilsachen. Bei einem Streitwert über EUR 5.000 ist das Landgericht zuständig. Örtlich zuständig ist in stiftungsrechtlichen Fragestellungen regelmäßig das Gericht, in dessen Bezirk die Stiftung ihren Sitz hat.
Für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Amtsgericht besteht kein Anwaltszwang. Gleichwohl ist das Hinzuziehen eines qualifizierten Anwalts dringend anzuraten, da es sich beim Stiftungsrecht um eine sehr spezifische Materie handelt, die ein umfangreiches Fachwissen erfordert.
In seiner Klageschrift muss der Anwalt des C den Sachverhalt, der zu dem aus seiner Sicht unwirksamen Beschluss geführt hat, mit Beweisangeboten darstellen.
Zulässigkeit der Klage
Das Gericht prüft sodann zunächst, ob die Klage zulässig ist und ob der Abberufungsbeschluss wirksam zustande gekommen ist. Damit die Klage zulässig ist, muss C unter anderem ein sogenanntes Feststellungsinteresse haben.
Feststellungsinteresse
Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das Feststellungsurteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. In Fragen hinsichtlich Beschlussmängeln ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und in der Literatur umstritten, welche Mitglieder von Stiftungsorganen in welchen Streitkonstellationen ein entsprechendes Feststellungsinteresse besitzen und damit Feststellungsklage erheben können.
Ein Feststellungsinteresse besitzen jedenfalls die Stiftung selbst, vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Organe, sowie das Kontrollorgan, das das Recht hat, die Unwirksamkeit von Beschlüssen des Vertretungsorgans der Stiftung gerichtlich feststellen zu lassen.
Ob eine darüberhinausgehende, allgemeine Befugnis einzelner Organmitglieder besteht, die Nichtigkeit von Beschlüssen des eigenen Organs im eigenen Namen feststellen zu lassen, ist umstritten. Teilweise wird eine allgemeine Klagebefugnis abgelehnt und eine Beeinträchtigung eigener organschaftlicher Rechte gefordert. Nach anderer Ansicht wird jedoch ein umfassendes Feststellungsinteresse jedes einzelnen Organmitglieds angenommen. Diese Ansicht begründet ihre Position vor allem damit, dass die Organe der Stiftung verpflichtet sind und die Stiftung aufgrund ihrer Mitgliederlosigkeit in besonderer Weise darauf angewiesen ist, dass ihre Organe rechtmäßig handeln und für die Umsetzung des Stifterwillens Sorge tragen.
Da C hier durch die Abberufung aber ohnehin persönlich betroffen ist und er dem Beschluss, gegen den er sich nun wendet, auch nicht zugestimmt hat, ist ein Feststellungsinteresse gegeben.
Keine Klagefrist
Zivilrechtliche Klagen sind im Regelfall nicht fristgebunden. Gleichwohl sollte C hier mit angemessener Beschleunigung, also binnen weniger Monate, Klage erheben.
Begründetheit der Klage
Ist die Klage zulässig, prüft das Gericht, ob die Abberufung des C rechtmäßig war oder nicht (sog. Begründetheit der Klage). Lag kein wichtiger Grund zur Abberufung vor, stellt das Zivilgericht dies entsprechend fest. Hat C hingegen Anlass zur Abberufung gegeben, etwa weil er Gelder der Stiftung veruntreut hat, wird das Zivilgericht seine Klage abweisen.
Einstweiliger Rechtsschutz
Ein Organmitglied, das von den anderen Organmitgliedern bzw. dem Aufsichtsorgan abberufen wurde und mit der Abberufung nicht einverstanden ist, bleibt – wenn die Satzung nichts anderes bestimmt – bis zur rechtskräftigen Feststellung der Wirksamkeit der Abberufung im Amt. Greift die Stiftungsbehörde hier nicht ein und beruft das Organmitglied ab, dauert es oftmals Monate, wenn nicht Jahre, bis durch ein rechtskräftiges Urteil über den Streit entschieden wird. Aus diesem Grund sollte in jeder Streitigkeit immer auch die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes erwogen werden, um die Beteiligten vor unmittelbar drohenden Nachteilen zu schützen. Hierdurch kann das betroffene Mitglied etwa zur Abwendung wesentlicher Nachteile vorläufig abberufen werden, um seine Einflussnahme auf die Stiftung zeitnah zu unterbinden.
Neben diesen zivilrechtlichen Streitigkeiten kann die Stiftung auch mit der Stiftungsbehörde in Konflikt kommen. Hierbei ist sie auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen. Anders als etwa in der Schweiz wurde im Rahmen der Stiftungsrechtsreform keine „Stiftungsaufsichtsbeschwerde“ vorgesehen, sodass vor dem Verwaltungsgericht noch immer nur ausgewählte Personen in jeweils ausgewählten Konstellationen überhaupt klagen können. Diese komplexen Klagemöglichkeiten werden – neben zahlreichen anderen Fragestellungen rund um den Rechtsschutz bei Stiftungen – im Beitrag der Autorin in dem Werk „Stiftungsrecht nach der Reform“ behandelt.
Dieser Artikel beruht auf einem ausführlichen Beitrag der Autorin in dem Werk: „Stiftungsrecht nach der Reform“, das in Zusammenarbeit des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft mbB in 2024 in einer aktualisierten und erweiterten Neuauflage erschien.
Hier kommen Sie zu weiteren Teilen der Reihe:
Teil 1: Reformierte Landesstiftungsgesetze
Teil 2: Die Stiftung im Rechtsstreit
Teil 3: Erhaltung des Grundstockvermögens
Teil 4: Rechnungslegung und Prüfung von Stiftungen
Teil 5: Das Stiftungsregister und die Umsetzung in die Praxis
Teil 6: Sicherer Handlungsrahmen für Stiftungsorgane
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