Sicherer Handlungsrahmen für Stiftungsorgane – Teil 6 der Serie zum neuen Stiftungsrecht
Mit der Stiftungsrechtsreform wurde erstmals die Business Judgement Rule (BJR) mit einer Regelung zum Sorgfaltsmaßstab für Stiftungen in das Gesetz aufgenommen. Dies ist ein wichtiger Schritt für mehr Rechtssicherheit für Stiftungsorgane. Dies bedeutet jedoch auch, dass Stiftungsorgane sich damit befassen müssen, welche Anforderungen der Gesetzgeber an eine ordnungsgemäße Organtätigkeit stellt.
Die Arbeit von Stiftungen lebt vom Engagement ihrer Organe. Mit der Übernahme eines Amtes geht Verantwortung einher, auch in rechtlicher Hinsicht. Zum Schutz der Stiftung haftet das Organmitglied ihr gegenüber dafür, dass es seine Organpflichten ordnungsgemäß erfüllt.
Herausforderung für Stiftungsorgane
Bei ihrer Arbeit sind die Organmitglieder unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben gleichermaßen zur Wahrung des Stifterwillens und dauerhaften Erfüllung des Stiftungszwecks sowie zur dauerhaften Erhaltung des Stiftungskapitals verpflichtet. Im aktuellen Anlage-Umfeld und der ständig zunehmenden Regelungsdichte ist dies keine einfache Aufgabe. Dazu kommt, dass viele Entscheidungen aufgrund der Zukunftsbezogenheit zwangsläufig Entscheidungen unter Unsicherheit darstellen.
Business Judgement Rule als Handlungsrahmen
Diesem Umstand trägt die Business Judgement Rule (BJR) für Stiftungen Rechnung, die mit der Stiftungsrechtsreform erstmals kodifiziert wurde. Sie erkennt an, dass es regelmäßig eine Bandbreite von vertretbaren Entscheidungen gibt. Innerhalb dieses Rahmens obliegt es den Organen, eine von mehreren denkbaren Entscheidungen auszuwählen. Diese besagt, dass solange die Entscheidung aus der ex ante-Sicht, also zum Zeitpunkt der Entscheidung, vertretbar war, keine Pflichtverletzung vorliegt, auch wenn sich später herausstellt, dass es gegebenenfalls nicht die optimale Entscheidung war.
Nach der BJR stellt eine Entscheidung keine Pflichtverletzung dar, wenn das Organmitglied auf der Grundlage angemessener Informationen unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Stiftung zu handeln. Sie gilt für alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Amtsführung, soweit ihnen Prognosecharakter zukommt (z. B. Anlage des Stiftungsvermögens, satzungsgemäße Mittelverwendung).
Angemessene Informationsgrundlage
Voraussetzung ist, dass vor der Entscheidung eine angemessene Informationslage geschaffen wurde. Die Dokumentation der vorliegenden Informationen und Überlegungen im Zeitpunkt der Entscheidung kommt deshalb wesentliche Bedeutung zu. Aus ihr muss ersichtlich sein, dass sich die Organmitglieder mit den Vor- und Nachteilen einer Entscheidung auseinandergesetzt und eine abwägende Entscheidung getroffen haben. In solchen Situationen ist es daher ratsam, Entscheidungsprozesse sorgsam zu protokollieren beziehungsweise zu dokumentieren.
Zum Wohle der Stiftung
Weitere Voraussetzung der BJR ist, dass das Organmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Stiftung, also innerhalb des Stifterwillens zu handeln.
Die Organmitglieder dürfen sich bei ihren Entscheidungen nicht von fremden, insbesondere eigenen Interessen, leiten lassen. Sie sind der Stiftung gegenüber zur Loyalität verpflichtet. Das heißt, sie dürfen ihre Stellung als Organmitglied nicht auf Kosten der Stiftung für sich selbst oder Dritte ausnutzen. Ein Interessenkonflikt liegt dann vor, wenn die Interessen des Organmitglieds nicht mit den Interessen der Stiftung übereinstimmen.
Nicht selten sind Vertreter von Einrichtungen im Organ vertreten, die gleichzeitig von der Stiftung Mittel erhalten, beispielsweise für Forschungsprojekte. Es stellt sich dann die Frage, ob dieses Organmitglied pflichtwidrig handelt, wenn es an der Entscheidung über die Mittelweitergabe an seine Einrichtung oder Forschungsgruppe teilnimmt. Auch wenn Organmitglieder gleichzeitig Dienstleistungen gegenüber der Stiftung erbringen (zum Beispiel Vermögensanlage oder Rechts- und Steuerberatung), können Interessenskonflikte vorliegen, wenn es um deren Beauftragung und Vergütung geht. Mögliche Interessenskonflikte sind in jedem Fall den anderen Organmitgliedern offenzulegen.
Eine andere Frage ist, ob sich das Mitglied am Entscheidungsprozess beteiligen und an der Beschlussfassung mitwirken darf.
Sorgfaltsmaßstab
Jedes Organmitglied hat bei seiner Tätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers anzuwenden. Mit der BJR hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, was er von einem ordentlichen Geschäftsführer (Organmitglied) bei der Entscheidungsfindung erwartet. Laut Gesetzesbegründung konkretisiert die BJR den Sorgfaltsmaßstab. Organmitglieder handeln daher insbesondere nur dann mit der erforderlichen Sorgfalt, wenn sie auf einer angemessenen Informationsgrundlage entscheiden. Wird das nicht beachtet, wird man regelmäßig bereits aus diesem Grund leichte Fahrlässigkeit annehmen müssen.
Fazit
Im Ergebnis führen die neu ins Gesetz aufgenommenen Regelungen zur BJR und zum Sorgfaltsmaßstab zu mehr Rechtssicherheit für Stiftungsorgane. Zugleich verdeutlichen sie, welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organtätigkeit (auch an Ehrenamtliche) gestellt werden.
Dieser Artikel beruht auf einem ausführlichen Beitrag der Autorin in dem Werk: „Stiftungsrecht nach der Reform“, das in Zusammenarbeit des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft mbB in 2024 in einer aktualisierten und erweiterten Neuauflage erschien.
Hier kommen Sie zu weiteren Teilen der Reihe:
Teil 1: Reformierte Landesstiftungsgesetze
Teil 2: Die Stiftung im Rechtsstreit
Teil 3: Erhaltung des Grundstockvermögens
Teil 4: Rechnungslegung und Prüfung von Stiftungen
Teil 5: Das Stiftungsregister und die Umsetzung in die Praxis
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