• Vielfalt in Stiftungen

"Ich sehe sehr starke Frauen im Stiftungssektor"

Caspar von Blomberg berät Stiftungen bei der Besetzung und Entwicklung von Top-Führungspersonal. Im Interview spricht er über Gehaltsunterschiede von Frauen und Männern, warum sich Stiftungen jünger und diverser aufstellen sollten - und was er Frauen rät, die im Stiftungssektor Karriere machen wollen.

Teilnehmerin auf dem Deutschen Stiftungstag
© BVDS_David Ausserhofer
9 Minuten 05.01.2024
Interview von: Beate Wild

Stiftungswelt: Herr von Blomberg, lassen Sie uns über Frauen in Stiftungen reden. Wie erleben Sie als Personalberater die neue weibliche Führungsriege im Stiftungssektor?
Caspar von Blomberg:
Ich sehe sehr starke Frauen. Da gibt es eine jüngere Generation, die in den letzten zehn Jahren in Erscheinung getreten ist, das sind Persönlichkeiten, die eine Stiftung wirklich nach vorne bringen. Das sind Frauen, die den männlichen Führungspersönlichkeiten in nichts nachstehen. 

Dennoch sind Frauen in deutschen Stiftungsgremien nach wie vor unterrepräsentiert. Der Bundesverband hat in Umfragen herausgefunden, dass ein Drittel der Stiftungen keine Frau im Vorstand hat. Auf der Arbeitsebene hingegen liegt der Frauenanteil bei über 70 Prozent. Warum schaffen es so wenige Frauen in Führungspositionen?
Zunächst einmal gibt es, anders als in der Privatwirtschaft, für den Stiftungssektor keine gesetzlich festgelegte Mindestquote. Jenseits dessen sind es aus meiner Sicht aber vor allem zwei Gründe, warum noch relativ wenige Frauen in den Führungsetagen deutscher Stiftungen tätig sind: Zum einen ist der Stiftungssektor sehr langfristig orientiert. Das führt dazu, dass es wesentlich weniger Wechsel gibt, als es in der Privatwirtschaft üblich ist. Stiftungen sind weniger an der Performance orientiert. Dass man einen Austausch in der Geschäftsleitung vornimmt, weil man mit der Leistung nicht zufrieden ist, sieht man im Stiftungssektor sehr viel seltener.  

Dadurch ist die durchschnittliche Bleibezeit in Stiftungen länger?
Genau, sowohl auf der Arbeits- als auch auf der Leitungsebene. Das hat zur Folge, dass der Stiftungssektor vielen Entwicklungen in der Arbeitswelt, wie etwa mehr Diversität in Führungspositionen, deutlich hinterherhinkt.  

Und der zweite Grund?
Der zweite Grund ist der, dass die Besetzung von Vorständen bzw. Geschäftsführungen meist Sache der Stiftungsräte ist, die noch von der Generation 65+ dominiert werden – und damit vorwiegend von Männern. Aber auch Frauen der Generation 65+ sind sozialisiert in einer Welt, in der man viel stärker männerzentriert gedacht hat. Und wenn diese Gremien es sind, die die Auswahl treffen, dann kommt auch heute noch häufiger ein Mann dabei heraus als eine Frau. In den Aufsichtsräten der freien Wirtschaft ist das mittlerweile anders, da findet man auch schon Frauen in den Vierzigern, die noch inmitten ihrer eigenen aktiven Berufskarriere stehen. Ich würde deshalb jeder Stiftung heute raten, ihren Stiftungsrat jünger und diverser aufzustellen – selbst wenn dafür die Satzung geändert werden muss. 

"Ich würde deshalb jeder Stiftung heute raten, ihren Stiftungsrat jünger und diverser aufzustellen."

Caspar von Blomberg

Ist der Stiftungssektor in Sachen Diversität also konservativer als andere Branchen?
Ja, so nehme ich das wahr. Bei Sozialunternehmen und bei Start-ups etwa sieht es ganz anders aus, dort sieht man viel mehr Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen in Führungspositionen. Was im Umkehrschluss dazu führt, dass sich diese Menschen oft keine Stiftungen als Arbeitgeber aussuchen. 

Wie läuft denn eine Stellenbesetzung, wenn Sie mit der Suche beauftragt werden?
In den Vorgesprächen eines Suchmandates setzen wir das Thema Diversität grundsätzlich auf die Agenda. Wenn der Klient Bedenken zu erkennen gibt, Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen oder für die Rolle wichtige Berufsgruppen zu berücksichtigen, überlegen wir uns genau, ob wir das Mandat übernehmen. Das sind aber heute die Ausnahmefälle – typischerweise werden wir ja in den Situationen mandatiert, in denen es keine internen Kandidat:innen für die Geschäftsführungs-nachfolge gibt und man die viel größeren Möglichkeiten des externen Talentmarktes zur Diversifizierung nutzen möchte. Und von diverseren Führungsteams bei zivilgesellschaftlichen Organisationen profitiert ja auch die gesamte Gesellschaft.  

Welche Stiftungen beauftragen Sie in der Regel mit der Suche nach geeignetem Führungspersonal?
Meistens sind es größere Stiftungen, also solche mit mehr als 5 Millionen Euro Jahresbudget, oder solche, die einen Unternehmenshintergrund haben. Wie viele Stiftungen insgesamt eine Personalberatung beauftragen, dazu habe ich keine Zahlen. Aber ich würde vermuten, dass der Anteil noch deutlich unter 20 Prozent liegt. 

Hat der Bedarf an Headhuntern in den vergangenen Jahren zugenommen bei Stiftungen?
Das würde ich schon sagen. Da zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab wie im öffentlichen Sektor – da geht es um Diversifizierung der Kompetenzen und um Transparenz in den Besetzungsprozessen. Im Stiftungsbereich hat das auch damit zu tun, dass viele Stiftungen lange mit der Niedrigzinsphase zu kämpfen hatten und sich fragen mussten, ob sie ihren Stiftungszweck noch erfüllen können. Durch diese strategischen Herausforderungen war ein stärker unternehmerisches Mindset notwendig. Und das hat dazu geführt, dass es heute viel mehr Stiftungen gibt, die eine Personalberatung mit der Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten auch aus dem Privatsektor für ihre Führungspositionen beauftragen. 

Wie können denn kleinere Stiftungen vorgehen, die für die Personalsuche nicht so viel Geld ausgeben können?
Wenn eine Stiftung einen Vorstand von außen holt, ist das Ziel nicht, dass er oder sie diesen Job nur die nächsten drei oder vier Jahre macht – wie das in der freien Wirtschaft vorkommt. Sondern das Ziel ist, dass er oder sie zehn Jahre bleibt. Bezogen auf diesen Zeitraum ist das Geld, das man für ein Suchmandat investiert, eher zu vernachlässigen. Mit dieser Perspektive sollten es sich auch kleinere Stiftungen leisten können, einen Personalberater zu beauftragen.  

"Die meisten Stiftungen haben überhaupt nicht festgelegt, wie sie ihre Führungskräfte bezahlen wollen."

Caspar von Blomberg

Lassen Sie uns über das Gehalt sprechen: Wieviel verdient das Spitzenpersonal – also Vorstandsvorsitzende*r oder Geschäftsführer*in – in Stiftungen? 
Die meisten Stiftungen haben überhaupt nicht festgelegt, wie sie ihre Führungskräfte bezahlen wollen. Da gibt es keine Gehaltsbandbreiten, keinen Tarifvertrag, an dem man sich orientieren könnte, sondern es geht sehr opportunistisch zu. Wenn zum Beispiel ein Bewerber mit geringeren Gehaltsvorstellungen daherkommt, dann wird halt der genommen.  Dadurch entstehen teils sehr große Gehaltsdifferenzen innerhalb einer Stiftung. Es gibt sogar Fälle, in denen die eine Führungskraft das Doppelte verdient wie die andere. 

Ist das in der Wirtschaft anders?
Ja, denn in der freien Wirtschaft ist das viel stärker reglementiert, da sieht man keine solchen Diskrepanzen auf einer vergleichbaren Führungsebene. Die private Wirtschaft muss heute so sehr um Nachwuchskräfte kämpfen, dass da viel mehr Transparenz Einzug gehalten hat. Bei Stiftungen hingegen motivieren sich Mitarbeiter mehr über den „Purpose“ der Organisation und trauen sich nicht, nach dem Gehalt zu fragen. Das Risiko, ausgenutzt zu werden, ist hier größer. 

Wenn Sie einen Kandidaten vermitteln, beraten Sie ihn dann bei seinen Gehaltsforderungen?
Zunächst bespreche ich die Gehaltsmöglichkeiten in der zu besetzenden Rolle mit dem Klienten und wie diese in die Gehaltsstruktur des Vorstands bzw. der Geschäftsführung insgesamt passt. Ich bin kein großer Freund davon, dass es innerhalb eines Vorstandes oder einer Geschäftsführung große Gehaltsunterschiede gibt. Das ist meist nicht angemessen – und wenn es rauskommt und belastet es oft die Zusammenarbeit.  

Mit den Kandidatinnen und Kandidaten schaue ich dann, ob ihre Gehaltsvorstellungen in die Gehaltsstruktur der Stiftung passen würden. Und bei Bewerbern aus dem privaten Sektor geht es dann häufig um Gehaltsverzicht.    

Und wieviel verdienen also Geschäftsführung oder Vorstand einer Stiftung?
Da gibt es eine sehr große Bandbreite. Generell korrelieren Gehälter stark mit dem Fördervolumen einer Stiftung, das heißt, große Stiftungen zahlen besser, kleinere Stiftungen nicht so viel. Das, was wir sehen, bewegt sich meist zwischen 120.000 und 350.000 Euro, es gibt aber auch Ausreißer nach weiter oben.  

Können Sie etwas zu den Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen sagen? Gibt es einen Gender Pay Gap?
Nur für die Geschäftsführungsebene bei größeren Stiftungen haben wir da einen guten Überblick. Und da gibt es - zumindest in Einzelfällen - ganz erhebliche Gehaltslücken zwischen den Geschlechtern. Auf den niedrigeren Führungsebenen wird sich das vermutlich nicht anders verhalten wie im Privatsektor – zumal die Fluktuation ja wie gesagt sehr gering ist.  

Wir als Personalberatung achten darauf, dass eine Frau, die von außen in eine Stiftung hereingeholt wird, nicht schlechter bezahlt wird als ein Mann.  

"Auf der Geschäftsführungsebene bei größeren Stiftungen gibt es ganz erhebliche Gehaltslücken zwischen den Geschlechtern."

Caspar von Blomberg

Welche Tipps haben Sie für Frauen beim Thema Gehaltsverhandlungen?
Ich sage meinen Kandidatinnen: Gehen Sie nicht mit Ihrem aktuellen Gehalt in die Verhandlungen. Denn wenn das der Referenzpunkt ist, ist es schwer, signifikant darüber zu kommen. Dann kann man vielleicht mal 10 oder 15 Prozent Aufschlag bekommen. Interessanter ist, was der Vorgänger bekommen hat. Welche Zusatzleistungen wie etwa eine gut ausgestattete Altersversorgung er oder sie erhalten hat. Deshalb mein Rat: Recherchieren Sie vor den Gehaltsverhandlungen und fordern Sie Transparenz ein. Dann ist die Verhandlungsbasis nicht das eigene Gehalt, sondern die Gehaltsstruktur der Mitglieder der Geschäftsführung insgesamt.  

Was empfehlen Sie einer Frau, die in einer Stiftung Karriere machen will?
Wenn eine Frau das Potenzial und den Anspruch hat, in einer gesellschaftlich einflussreichen Rolle Wirkung zu entfalten, dann empfehle ich ihr keine “Kaminkarriere” in einer einzelnen Stiftung. Stiftungen sind typischerweise zu klein, um von einem breiten Spektrum an Führungspersönlichkeiten zu lernen, bieten zu wenig Aufstiegschancen und verfügen deshalb auch meist nicht über systematische Führungskräfte-Entwicklungsprogramme. Auch die komplexere Projektarbeit in Kooperation mit anderen Institutionen und externen Stakeholdern kommt oft noch zu kurz.  

Welche Tipps haben Sie dann für diese Frauen?
Mein Tipp wäre, möglichst früh eine Seitenwechsler-Karriere ins Auge zu fassen. Also auch im privaten oder im öffentlichen Sektor, bei einem Sozialunternehmen oder bei einem Start-up Erfahrungen zu sammeln. Wenn ich heute eine Geschäftsführungsposition einer großen Stiftung besetze, reicht es mir meist nicht aus, dass jemand sein Leben lang bei einer oder zwei Stiftungen gearbeitet hat. Impulse kommen typischerweise aus dem Wechsel von einem Sektor in einen anderen. Die Ideen und die innovativen und transformatorischen Ansätze entstehen, wenn man eine andere Kultur und Arbeitsweise gesehen hat, andere Perspektiven auf die gleiche Problemstellung eingenommen hat. Wenn ich als Stiftung den Anspruch habe, Gesellschaft zu verändern, dann brauche ich Know-how und Erfahrungen aus unterschiedlichen Sektoren und Umfeldern.   

Neben einer angemessenen Bezahlung – was können Stiftungen noch tun, um qualifizierte Frauen für sich zu interessieren?
Was ich den Stiftungen schon häufig gesagt habe: Tut euch zusammen und entwickelt ein gemeinsames Führungskräfte-Nachwuchsprogramm, das Hochschulabgängerinnen die Möglichkeit bietet, innerhalb von zwei Jahren mehrere Stiftungen mit völlig unterschiedlichen Programmen und Aufgabenstellungen kennenzulernen. Mit einem solchen Programm bietet man diesen Menschen sehr viel mehr Optionen und gewinnt an institutioneller Attraktivität als Arbeitgeber. Damit würde das Bewusstsein für Nachwuchsentwicklung im Sektor auch insgesamt einen Schub bekommen. Im Zweifel erschließt man sich damit auch solche Hochschulabgängerinnen, die sonst erstmal bei einer Unternehmensberatung im Nachhaltigkeitsbereich einsteigen würden.

Über den Interviewpartner

© Egon Zehnder International

Caspar von Blomberg leitet die Praxisgruppe Öffentlicher & Sozialer Sektor bei Egon Zehnder. In diesem Rahmen berät er Regierungen, Staatsunternehmen, internationale Organisationen, NGOs und Stiftungen bei der Besetzung und Entwicklung von Top-Führungspersonal. Daneben hat er langjährige Erfahrung im Sustainability und ESG-Management und berät Aufsichtsräte und Vorstände aller Branchen in Fragen der ESG Governance. 

 

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