Redet mit den Jungen, nicht über sie!

Auf dem Symposium „Deutschland der Ideen“, das Mitte Oktober 2023 in Berlin stattfand, ging es auch um die Frage, wie es gelingen kann, junge Menschen für politisches Engagement zu gewinnen. Wer könnte das besser beurteilen als diese selbst? Für uns war daher Anna Oelsner vor Ort, 19 Jahre jung und seit zwei Monaten Freiwilligendienstleistende im Bundesverband Deutscher Stiftungen.

Die Teilnahme an meiner ersten politischen Veranstaltung im Rahmen meines Freiwilligen Sozialen Jahres im politischen Leben (FSJ Politik/Demokratie) war eine aufregende Erfahrung. Denn auf dem Symposium „Deutschland der Ideen. Beiträge zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements“, das am 17. Oktober 2023 in der Vertretung des Landes Bremen beim Bund stattfand, standen wichtige politische Themen und gesellschaftliche Anliegen im Mittelpunkt. Besonders war für mich auch, dass mich die Deutsche Gesellschaft e. V. als Veranstalter der Tagung gefragt hat, ob ich nicht einen kleinen Beitrag dazu schreiben möchte. Diese Aufgabe nahm ich gerne an, da es eine neue Herausforderung für mich war.

Es war toll, einige der Menschen, deren Namen ich in den ersten zwei Monaten im Freiwilligendienst bereits mehrfach gehört hatte, nun persönlich zu erleben. In der Landesvertretung Bremen habe ich mit sehr netten und interessanten Politiker*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft gesprochen und konnte spannenden Diskussionen zuhören.

Gäste aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft 

Ziel der Veranstaltung war es, konkrete Best-Practice-Beispiele vorzustellen, die sich mit zivilgesellschaftlichem Engagement den großen gesellschaftlichen Herausforderungen stellen, hemmende sowie katalysierende Faktoren zu erkennen und konkrete Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

Dazu waren Gäste aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft eingeladen. Die Veranstaltung war in sechs themenbasierte Blöcke eingeteilt, die jeweils aus einem Impulsvortrag mit anschließender Podiumsdiskussion bestanden. Die Blöcke befassten sich mit Perspektiven für interreligiöse Initiativen, demografischem Wandel und bürgerschaftlichem Engagement, Engagement im Zeichen der Digitalisierung sowie Jugend und Politik. Abgerundet wurde die Veranstaltung mit einem moderierten Abschlussgespräch zum Thema „Innovationen und Strategien zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements“.

Jugend entscheidet

In diesem Beitrag möchte ich mich näher mit der Diskussion „Engagiert oder resigniert – Jugend und Politik“ befassen. Als junge Freiwilligendienstleistende beim Bundesverband Deutscher Stiftungen interessiert mich das Thema natürlich besonders. Den Impulsvortrag dieses Panels hielt Elisabeth Niejahr, Geschäftsführerin des Bereichs „Demokratie stärken“ der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, über deren Initiative „Jugend entscheidet“. Dieses Projekt will Kommunalpolitiker*innen und Jugendliche zusammenbringen, damit Letztere die Chance haben, ihre Stadt bzw. Gemeinde mitzugestalten.   

Podium mit Hannah Böhme, Elisabeth Niejahr, Daniela Hottenbacher und Hannes Gieseler (v. l. n. r.)
© Dr. Heike Tuchscheerer, Deutsche Gesellschaft e. V.

Positiv überrascht hat mich das Projekt mit zwei innovativen Ansätzen. Zum einen müssen sich die Bürgermeister*innen selbst um eine Teilnahme bewerben. Die Motivation, Jugendliche in die politische Arbeit einzubinden, muss also bei den Kommunalpolitiker*innen bereits vorhanden sein. Außerdem können beim Projekt der Hertie-Stiftung nur Kommunen mitmachen, die sich verpflichten, mindestens eine der Idee der Jugendlichen umzusetzen. Ziel ist es laut Niejahr, die Demokratie zu stärken. Denn wer einmal den demokratischen Prozess durchlaufe, dabei positive Erfahrungen mache und schließlich die Ergebnisse des eigenen Engagements erlebe, werde das demokratische System mehr schätzen und sich stärker dafür einsetzen.

Alte und junge Menschen sind sich ähnlicher als gedacht

Wie sich laut Niejahr in der bisherigen Projektzeit gezeigt hat, liegen die Wünsche von Jugendlichen und Senior*innen in der Gemeinde gar nicht weit auseinander. Das liege vor allem daran, dass sich sowohl ältere als auch junge Menschen viel im öffentlichen Raum aufhielten und ihre oftmals berechtigte Kritik an seiner Gestaltung wie auch ihre Verbesserungsvorschläge auf eigenen Erfahrungen beruhten.  

Die Gäste der anschließenden Podiumsdiskussion waren neben Niejahr Hannes Gieseler, Bürgermeister der Gemeinde Wilnsdorf, die selbst am Projekt „Jugend entscheidet“ teilgenommen hat, und Daniela Hottenbacher, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings und Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend.

In der Diskussion wurden viele wichtige Punkte angesprochen. Gieseler beschrieb die Jugendlichen von heute als grundsätzlich politisch engagiert. Da stimmte ihm auch Daniela Hottenbacher zu, machte aber zugleich auf die Gefahr aufmerksam, dass sie resignierten, wenn sie vor allem auf Landes- und Bundesebene nicht ausreichend gehört würden.

Alle Themen sind Jugendthemen

Eine andere wichtige Erkenntnis aus der Diskussion war, dass die Ideen junger Menschen sehr viel pragmatischer und konstruktiver sind, als oftmals unterstellt wird. Außerdem ging es um die unterschiedlichen Möglichkeiten für Jugendliche, ein Ehrenamt zu übernehmen. Deutlich wurde, dass alle politischen Themen Jugendthemen sind, da jede politische Entscheidung, die jetzt getroffen wird, Auswirkungen auf die Zukunft der heutigen Jugendlichen hat – und zwar aufgrund der noch vor ihnen liegenden längeren Lebenszeit mehr als auf die der älteren Generationen.

Weiteres Thema war die Herabsenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Bei der Europawahl 2024 und in verschiedenen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein dürfen Jugendliche auf Landtagsebene bereits ab 16 wählen. Ziel ist es, den Jugendlichen mehr Verantwortung und Sichtbarkeit zu geben.

Kritisiert wurde zudem der große Widerstand in der Politik, gegen den Jugendliche oft ankämpfen müssen. Als neuer Ansatz, um junge Menschen für gesellschaftliches Engagement zu begeistern, wurden Projektarbeiten genannt, da diese zeitlich begrenzt seien. Denn langjährige Verpflichtungen wirkten erfahrungsgemäß auf viele Jugendliche abschreckend.

Eine Sicht der Generation Z

Als Angehörige der „Gen Z“, also der Generation, die zwischen 1995 und 2010 geboren ist, habe ich mich in der Diskussion sehr gesehen gefühlt. Ein großes Lob geht an die Auswahl der Gäste, die der Jugend gegenüber positiv gestimmt waren und selbst Erfahrungen in der Arbeit mit Jugendlichen haben. Die neuen Ansätze zur Stärkung des Engagements von Jugendlichen waren genau richtig und haben viele Probleme junger Menschen im politischen Raum gut erfasst.

Zu sehen, dass Jugendliche ernst genommen werden und man sich aktiv bemüht, sie in den politischen Diskurs einzubeziehen, stimmt mich persönlich optimistisch, dass die Repräsentanz und das Engagement meiner Generation wachsen wird. Viele junge Menschen wollen etwas bewegen und verändern. Bei vielen fängt das Engagement klein an und wird mit der Zeit größer und umfangreicher. Für junge Menschen aktiv Angebote zu schaffen, durch Kommunalpolitik positive Selbstwirksamkeit zu erfahren, finde ich hervorragend. Ich persönlich denke, dass es wichtig ist, diese Debatten oft zu führen, um neue Ideen zu entwickeln, wie Jugendliche sowohl politisch als auch ehrenamtlich öfter aktiv werden können.

Doch es gibt von meiner Seite einen Kritikpunkt: Mit meinen 19 Jahren war ich die jüngste Besucherin der Veranstaltung. Dabei wäre es bei einem so wichtigen Thema wie Jugend und Politik essenziell, dass nicht nur über Jugendliche geredet wird, sondern mit Jugendlichen, damit diese ihre ganz persönliche Sichtweise teilen können. Denn man kann von jungen Menschen nicht erwarten, sich politisch zu engagieren, wenn man ihnen nicht die Möglichkeit gibt, am politischen Leben teilzuhaben.

Viele schlaue Ideen – und jetzt? 

Dabei wäre es so einfach, Jugendliche für solche Veranstaltungen zu gewinnen – etwa indem man die Schülervertretungen der Schulen anschreibt mit der Bitte, die Einladung an die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler weiterzugeben. Da ich selbst Jahrgangssprecherin war und in dieser Funktion Schülerrat und Schülervorstand angehörte, weiß ich aus eigener Erfahrung, dass solche Einladungen auf offene Ohren stoßen und das Interesse daran groß ist.  

Insgesamt war es ein Tag voller interessanter Diskussionen und Debattenbeiträge. Ich habe den Gedanken- und Ideenaustausch aller Beteiligten als sehr konstruktiv wahrgenommen und das Haus mit vielen neuen Denkanstößen und Anregungen verlassen. Dennoch bleibt die Frage, inwiefern sich die vielen schlauen Ideen und Debattenbeiträge in politischen Entscheidungen und Taten widerspiegeln werden.

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