• Recht & Steuern

Bürokratieabbau ist jetzt! Wo bleibt der Booster gegen Überregulierung?

Nicht nur Unternehmen, sondern auch Organisationen der Zivilgesellschaft und deren Förderer ächzen unter einer immer weiter zunehmenden Bürokratie. Es wird höchste Zeit, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Ampel-Parteien die versprochene, dringend notwendige Entbürokratisierung im Dritten Sektor endlich tatkräftig angehen.

„Wir wollen Menschen, die sich bürgerschaftlich engagieren, unterstützen, gerade auch junge Menschen für das Ehrenamt begeistern und daher das Ehrenamt von Bürokratie und möglichen Haftungsrisiken entlasten.“ So steht es im Koalitionsvertrag der drei Ampel-Parteien vom 24. November 2021. Wer wollte diesem Ziel widersprechen? Doch was ist von den hehren Zielen bislang umgesetzt worden? Der Befund ist ernüchternd. In dem kürzlich vom Bundesjustizministerium angestoßenen Vierten Bürokratieentlastungsgesetz wurden so gut wie keine der vielen Vorschläge mehrerer gemeinnütziger Organisationen aufgegriffen. Noch immer wartet der Dritte Sektor auf die angekündigte „Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts“. Dem Vernehmen nach scheint es aber aktuell auf politischer und ministerialer Ebene Bewegung zu geben.

Überbordende Bürokratie als Hemmnis für das Ehrenamt

Der Handlungsbedarf ist erheblich. Bürokratie – die Herrschaft der Verwaltung – ist in einem Rechtsstaat unerlässlich. Sie wird aber zu einem lähmenden Cocktail, wenn sie überbordend wird. Auch gemeinnützige und andere Organisationen der Zivilgesellschaft sowie deren Förderer, darunter Millionen Ehrenamtler, ächzen unter überbordender Bürokratie. Wer – gerade unter den im Koalitionsvertrag besonders erwähnten jungen Menschen – hat in unserer heutigen Spaß- und Freizeitgesellschaft Freude daran, in einer gemeinnützigen Organisation eine ehrenamtliche Organfunktion zu übernehmen, wenn sie oder er sich mit unzähligen rechtlichen und steuerlichen Details beschäftigen muss und in permanenter Rechtsunsicherheit lebt? Das Haftungsrisiko kann noch gelindert werden, indem eine Organisation in ihrer Satzung festschreibt, dass ihre Organmitglieder nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung haften. Ungleich stärker ist die Demotivation bei dem Gedanken, zu wenig Zeit für die gemeinnützige Projektarbeit zu haben, weil administrative Tätigkeiten zu viel Zeit verschlingen. Hinzukommen mitunter quälend lange Bearbeitungszeiten bei Behörden.

Einige Beispiele aus der Praxis:

  • Sinnvolle und vom Gesetzgeber ausdrücklich gewünschte Kooperationen zwischen gemeinnützigen Organisationen macht die Finanzverwaltung zunichte, indem sie contra legem verlangt, dass eine Kooperation auch in der Satzung einer leistungsempfangenden Organisation abgebildet sein muss.
  • Der Gesetzgeber hat 2020 kleinere Organisationen mit jährlichen Einnahmen von höchstens 45.000 Euro vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung befreit. Diese Erleichterung torpediert die Finanzverwaltung, indem sie Zuwendungen in das Vermögen, die als solche nicht zeitnah verwendet werden müssen, in die Grenze von 45.000 Euro einbezieht.
  • Die bestehenden spendenrechtlichen Erleichterungen in Katastrophenfällen greifen nur, wenn die Finanzverwaltung im Erlasswege eine Notsituation feststellt. Nach dem verheerenden Erdbeben in Syrien und in der Türkei am 6. Februar 2023 dauerte es sage und schreibe drei Wochen, bis das Bundesministerium der Finanzen den „Katastrophenerlass“ veröffentlichte.
  • Viele Organisationen der Zivilgesellschaft kämpfen im Dickicht des Transparenzregisters. Dieses Register soll der Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus dienen. Warum gemeinnützige Organisationen, die der ständigen Aufsicht der Finanzverwaltung unterliegen, nicht befreit werden, erschließt sich nicht. Es sind schon Bußgelder verhängt worden, weil eine Organisation aus Vorsichtsgründen „besser mehr“ gemeldet hat.

Ein Grund für die gewachsene Überregulierung ist die Neigung, sämtliche Details immer feinsinniger regeln zu wollen. Zur Detailverliebtheit hinzu kommt ein gewisses Misstrauen staatlicher Behörden, die sich in mitunter sehr kleinteiligen Prüfungsanfragen und Nachweisanforderungen zeigt. Dazu kommt das Nebeneinander unterschiedlicher Regelungsregime – z.B. das Stiftungs-, das Gemeinnützigkeits-, das Umsatzsteuer-, das Sozialrecht, die Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer, des DZI, um nur einige zu nennen. Personalmangel bei den Behörden führen zu überlangen Verwaltungsverfahren – auch weil manche Behörde die Verantwortung scheut und einen Fall lieber der vorgesetzten Behörde vorlegt. Wie soll den Verantwortlichen in einer Organisation vermittelt werden, auf eine beantragte verbindliche Auskunft des Finanzamts bis zu einem halben Jahr warten zu müssen, obwohl das Projekt zeitnah umgesetzt werden soll? Das Rechtsrisiko lieber selbst tragen?

Zeitenwende auch im Dritten Sektor notwendig

Zeit für die viel zitierte Zeitenwende auch im Dritten Sektor! Die Bedeutung einer lebendigen Zivilgesellschaft für unser Zusammenleben, die Förderung bürgerschaftlichen Engagements – derartige Bekenntnisse sind richtig und wichtig. Damit solche „Sonntagsreden“ nicht zur Phrase verkommen, bedarf es dringend einer umfassenden Entbürokratisierung des rechtlichen und steuerlichen Rahmens für gemeinnützige Organisationen. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat in seinem Positionspapier vom 16. Januar 2024 zahlreiche Vorschläge unterbreitet – für mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie. Wesentlich erscheint mir, auch im Gemeinnützigkeitsrecht eine Business Judgement Rule einzuführen, die den Verantwortlichen in den Organisationen mehr Handlungsspielraum ermöglicht – und den Finanzämtern einen entsprechend geringeren Prüfungsumfang. Bürokratieabbau ist jetzt!

Zur Person

Diskussion

Keine Kommentare

Kommentar schreiben

Verwandte Artikel

Zurück
Vor