„Probleme anpacken durch Vernetzung“

Auf der Mitgliederversammlung Ende September in Leipzig wurde drei neue Vorstandsmitglieder gewählt, darunter Annette Noffz. Wir haben die Leitende Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals Würzburg gefragt, was sie in ihrem neuen Amt bewirken will.

3 Minuten 04.01.2023
Interview: Nicole Alexander
Annette Noffz
© David Ausserhofer

Stiftungswelt: Frau Noffz, seit Ende September 2022 sind Sie Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Was hat Sie dazu bewogen, für dieses Amt zu kandidieren?
Annette Noffz:
Ich bin der Überzeugung, dass Stiftungen in Deutschland eine enorm große Bedeutung haben und dass diese Bedeutung im Zuge der vielen Krisen, die wir seit 2020 erleben und zu deren Bewältigung Stiftungen einen wesentlichen Beitrag leisten, weiter zugenommen hat. Damit wird auch der Bundesverband als Sprachrohr der Stiftungen immer wichtiger. Mich hier zu engagieren, ist für mich daher Verpflichtung und Ehre zugleich. 

Wofür wollen Sie sich im Vorstand besonders einsetzen?
Natürlich kann ich mich am besten für die Art von Stiftungen einsetzen, deren Belange ich durch meine Tätigkeit für das Würzburger Bürgerspital gut kenne, also für die oftmals sehr alten Sozialunternehmensstiftungen, die operativ tätig sind und viele Mitarbeitende beschäftigen. Als Vorständin diverser Förderstiftungen, die etwa im Bereich des Handwerks oder der Unterstützung von Waisen und Halbwaisen tätig sind, habe ich aber auch einen guten Einblick in die Herausforderungen, vor denen fördernde Stiftungen stehen. Insofern verstehe ich mein Vorstandsmandat als Einsatz für die gesamte Stiftungswelt.  

Aus Ihrer Erfahrung als Leitende Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals heraus: Worin bestehen derzeit die größten Herausforderungen für Sozialunternehmensstiftungen?
Sozialunternehmensstiftungen bewegen sich üblicherweise in den Feldern Gesundheitsversorgung und Pflege, Unterstützung behinderter Menschen sowie Kinder- und Jugendhilfe, um die vier ganz großen Bereiche zu nennen. Hier sind in den letzten Jahren, nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie, die Finanzierungsprobleme und die daraus resultierende Personalnot deutlich zutage getreten.  

Probleme, vor denen nicht nur Stiftungen, sondern etwa auch private Anbieter von Gesundheitsleistungen stehen.
Das stimmt. Letztlich geht es dabei um die Frage, was uns als Gesellschaft wirklich wichtig ist und wie wir gerade in schwierigen Zeiten zusammenhalten und die Schwächsten unserer Gemeinschaft schützen. Ich glaube, zu dieser Debatte können Stiftungen einen wertvollen Beitrag leisten. Denn Stiftungen genießen dadurch, dass sie eben nicht nach Gewinn im Sinne von Profitmaximierung streben, sondern dass ihr Kapital auf Ewigkeit in der Stiftung bleibt und dem Stiftungszweck dient, ein großes Vertrauen in der Öffentlichkeit.  

Bei allem Vertrauen halten sich aber auch hartnäckig Vorurteile gegenüber Stiftungen, etwa dass sie häufig ein Steuersparmodell seien. Wie kann solchen Vorurteilen entgegengetreten und das positive Image von Stiftungen gestärkt werden?
Ich glaube, wenn es an Öffentlichkeitsarbeit fehlt, kann es immer wieder zu Missverständnissen kommen. Wichtig scheint mir eine gewisse Transparenz zu sein – und das bedeutet nicht, dass Stiftungen über alles Rechenschaft ablegen müssen, was sie tun. Doch wenn Stiftungen darüber informieren, wer sie sind, woher sie kommen, wo sie hinwollen, was ihr Stiftungszweck ist und was sie an toller Arbeit leisten, dann trägt das dazu bei, dass das Vertrauen gestärkt wird.  

Was läuft aus Ihrer Sicht gut im Stiftungssektor?
Ich finde es gut, dass es einen Verband gibt, der sehr viele Mitglieder hat und der – etwa im Rahmen des Deutschen Stiftungstages – gute Vernetzungsmöglichkeiten bietet. Das hat sich jüngst eindrucksvoll am Beispiel Ukraine-Hilfe gezeigt. Wie schnell sich nach dem russischen Angriff auf das Land viele auch auf digitalem Wege zusammengeschaltet, Ideen ausgetauscht und Informationen weitergegeben haben, um zu schauen, wer wie helfen kann, das fand ich großartig. 

Und wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?
Wenn ich allein die Gruppe der Sozialunternehmensstiftungen nehme, glaube ich, dass wir noch mehr tun könnten, um die Probleme, vor denen sie stehen, anzupacken – etwa durch Vernetzung und Treffen auf regionaler Ebene. Denn es zeigt sich immer wieder, wie gut und wichtig Vernetzung ist: Wie oft finden dabei Akteure zusammen, die vorher gar nichts voneinander wussten und die dann merken, dass sie beide über der Lösung desselben Problems brüten. Und wenn sie sich dann zusammentun, entsteht daraus meist etwas Neues, Gutes.  

Über die Gesprächspartnerin: 

Annette Noffz ist Leitende Stiftungsdirektorin der Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist in Würzburg, einer der ältesten Sozialträgerstiftungen Deutschlands. Am 29. September 2022 wurde sie von den Mitgliedern in den Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen gewählt.  

Außerdem neu im Vorstand:

Auf der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, die Ende September 2022 im Rahmen des Deutschen Stiftungstages in Leipzig stattfand, wurde auch Dr. Sebastian Unger neu in den Vorstand gewählt. Wir sprachen am Rande des Kongresses mit dem Professor für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Ruhr-Universität Bochum über die Akzente, die er als Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrechtsexperte in diesem Amt setzen will, und darüber, welche Perspektiven aus der Wissenschaft er in die Vorstandsarbeit einbringen möchte. 

Dr. Georg Schütte, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, ist ebenfalls seit Ende  September 2022 Mitglied des Vorstandes im Bundesverband Deutscher Stifungen. Im Video-Interview, das wir auf dem Deutschen Stiftungstag 2022 in Leipzig geführt haben, erzählt er, warum die Freiräume, die Stiftungen zum Wohl der Gemeinschaft genießen, nicht mehr selbstverständlich sind, und wie er dazu beitragen will, sie zu bewahren.   

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