• Vielfalt in Stiftungen

Luft nach oben

Dem Stiftungspanel des Bundesverbandes zufolge liegt der Frauenanteil in Stiftungsvorständen bei 30 Prozent. Dabei stehen die Voraussetzungen gut, Geschlechterparität zu erreichen – damit das gelingen kann, muss an einigen Stellschrauben gedreht werden.

Frauenanteil in Stiftungen

Diversität und Geschlechterparität sind Themen, die das Stiftungswesen und zivilgesellschaftliche Organisationen seit langer Zeit bewegen und auch in ihre alltägliche Arbeit einfließen. Gerade in den letzten fünf Jahren hat sich in diesen beiden Feldern viel bewegt. Der aktuelle FAIR SHARE Monitor schätzt, dass rund 70 Prozent der Beschäftigten in diesen Organisationen weiblich sind. Das sind erst einmal gute Nachrichten. Doch der genaue Blick auf die Zahlen macht deutlich, dass in der Entwicklung vielfältiger Belegschaften noch viel zu tun ist, insbesondere was die Führungskräfte angeht. Der Anteil von Frauen in den Führungsgremien und Aufsichtsräten fällt im Vergleich zum hohen Beschäftigungsanteil von Frauen deutlich geringer aus. Hier sind Frauen zu 40 Prozent vertreten.

Damit steht der Dritte Sektor zwar deutlich besser da als die Privatwirtschaft. In den 160 größten Unternehmen in Deutschland liegt der Frauenanteil in den Führungsgremien nach aktuellen Berechnungen der AllBright-Stiftung nur bei rund 17 Prozent. Dennoch besteht weiterhin Handlungsbedarf, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Führungsebenen zivilgesellschaftlicher Organisationen zu erreichen.

Die Unterrepräsentation von Frauen erstreckt sich auch auf den Stiftungssektor, wie jüngste Befunde des Stiftungspanels im Bundesverband Deutscher Stiftungen bestätigen. Hier liegt der durchschnittliche Frauenanteil in Stiftungsvorständen bei rund 30 Prozent. Eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass in 41 Prozent der Stiftungsvorstände keine einzige Frau vertreten ist (Abbildung 1). In 24 Prozent der Stiftungen sind weniger als die Hälfte der Vorstandsmitglieder Frauen.

Doch schon jetzt ist eine positive Entwicklung absehbar: 21 Prozent der Stiftungen haben bereits eine geschlechterparitätische Besetzung des Vorstandes erreicht. Bei 15 Prozent der Stiftungen sind Frauen in der Mehrheit und Männer in der Minderheit. Insgesamt ist damit in 59 Prozent der Stiftungsvorstände mindestens eine Frau vertreten.

Frauenanteil im Stiftungsvorstand (rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, in Prozent)

Frauenanteil im Stiftungsvorstand
Quelle: Stiftungspanel 2023/Q1, gewichtet, N=270, rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts. 28 Stiftungen haben keine Angabe zur Anzahl der Frauen im Vorstand gemacht.
© Adobe_CreativeJuice

Argumente für mehr Frauen in Stiftungsvorständen

Eine ausgewogene Geschlechterverteilung in Stiftungsvorständen ist nicht nur ein wichtiger Schritt hin zu Geschlechtergerechtigkeit und einer vielfältigeren Stiftungslandschaft, sondern kann auch die Innovationsfähigkeit der Stiftungsarbeit steigern. Studien in der Privatwirtschaft haben bereits gezeigt, dass gemischte Führungsteams Unternehmensrisiken besser minimieren und Erfolg längerfristig sichern können als homogene Teams.

Die gleichberechtigte Einbindung von Frauen in Stiftungsvorstände kann zudem dabei helfen, das in vielen Stiftungen drängende Nachfolgeproblem in Vorständen zu lösen (siehe hierzu auch den Artikel „Gebt den Jungen das Kommando“, erschienen am 10. Juli 2023 in der „Stiftungswelt“). Die hohe Beschäftigungsquote von Frauen in Stiftungen auf Positionen unterhalb der Führungsebene zeigt, dass es hier einen großen Pool potenzieller Nachfolgerinnen gibt. Umso mehr stellt sich die Frage, warum weniger als ein Drittel der Vorstandsmandate in Stiftungen von Frauen wahrgenommen werden.

Mehr Frauenförderung nötig

Tatsächlich geben nur acht Prozent der im Rahmen des Stiftungspanels befragten Stiftungen an, explizite Maßnahmen zur Frauenförderung ergriffen zu haben. Die Mehrheit, nämlich 74 Prozent, unternimmt keine derartigen Schritte, und rund 18 Prozent haben keine klare Position zu diesem Thema.

Hat Ihre Stiftung konkrete Maßnahmen zur Frauenförderung innerhalb Ihrer Stiftung ergriffen? (rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, in Prozent)

Hat Ihre Stiftung konkrete Maßnahmen zur Frauenförderung innerhalb Ihrer Stiftung ergriffen?
Quelle: Stiftungspanel 2023/Q1, gewichtet, N=270, rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts.
© Adobe_CreativeJuice

Häufig sind die weiblichen Mitarbeiterinnen schon ausreichend qualifiziert, werden jedoch bei der Neubesetzung von Führungspositionen nicht mitgedacht. Hier wirken Dynamiken, die in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, einschließlich Privatwirtschaft, Politik, öffentlicher Dienst und Wissenschaft, weit verbreitet sind: das sogenannte Ähnlichkeits- und das sogenannte Vertrauensprinzip bei der Besetzung von Führungspositionen. Danach rekrutieren Männer häufig Personen, die ihnen ähnlich sind, weil sie solchen Menschen besonders vertrauen. Im Stiftungsbereich führen diese Prinzipien oft zu homogenen Vorstandsstrukturen.

Übernehmen Frauen einen Vorstandsposten, sehen sie sich mit persönlichen und zeitlichen Herausforderungen konfrontiert, mit denen sich andere Tätigkeiten kaum vereinbaren lassen. Nach wie vor tragen Frauen neben ihrer Erwerbstätigkeit den größten Teil der unbezahlten Sorgearbeit. Ihnen bleibt häufig nicht genügend Zeit, um zusätzliche, meist ehrenamtliche Aufgaben im Stiftungsvorstand zu bewältigen. (Rund 78 Prozent der Stiftungsvorstände sind ausschließlich ehrenamtlich tätig).

Was können Stiftungen konkret tun?

Um mehr Frauen für ehrenamtliche und hauptamtliche Führungspositionen zu gewinnen, können sich Stiftungen untereinander austauschen, um von- und miteinander zu lernen. Stiftungen, die sich bereits intensiv mit der Thematik beschäftigt haben und im Prozess vorangeschritten sind, setzen hier unter anderem auf die Verbesserung der Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

Hierzu zählen beispielsweise der Ausbau flexibler Arbeitszeitmodelle, die Ermöglichung von Führung in Teilzeit für Frauen und Männer oder sogar die geteilte Führung, die Unterstützung bei der Kinderbetreuung, etwa bei der Suche nach einem Kitaplatz, sowie die Möglichkeit, mobil zu arbeiten. Insgesamt geht es hierbei darum, Führung neu zu denken und die traditionell gewachsenen Strukturen zu verändern. Einige Stiftungen, die im Rahmen des Stiftungspanels befragt wurden, haben bereits entsprechende Maßnahmen implementiert:

"Wir ziehen Frauen gezielt in Vorstand und Beirat ein und qualifizieren gezielt Frauen für diese Tätigkeiten."

"Wir haben flexible Arbeitszeiten/ Vertrauensarbeitszeit etabliert sowie eine flexible Homeoffice-Regelung."

"Wir fördern geschlechtsunspezifisch, unsere familienfreundliche Ausrichtung ermöglicht es vielen Elternteilen, Leitungsaufgaben zu übernehmen oder zu behalten."

Dabei ist jedoch zu betonen, dass die Unterstützung durch den Staat von entscheidender Bedeutung ist. Solange staatliche Institutionen nicht aktiv eine gerechte Aufteilung der Betreuungsarbeit zwischen Männern und Frauen fördern, wird es für Unternehmen wie für zivilgesellschaftliche Organisationen schwierig sein, eine paritätische Besetzung ihrer Führungspositionen zu erreichen.

Entscheidend ist außerdem, dass Stiftungen eine Personalpolitik etablieren, die Vielfalt explizit fördert und die interne Qualifizierung und Förderung von Frauen in Führungspositionen aktiv unterstützt. Hierzu gehören beispielsweise Schulungen, Weiterbildungen oder auch Mentoring-Programme, die Frauen gezielt auf Führungspositionen vorbereiten.

Ebenso wichtig ist es, Transparenz über die Anforderungskriterien und das Auswahlverfahren für Vorstands- und Führungspositionen zu schaffen, um es Frauen und Männern gleichermaßen zu ermöglichen, sich frühzeitig auf solche Aufgaben vorzubereiten. Die Personalpolitik sollte zudem intersektionale Aspekte einbeziehen, denn Frauen gehören häufig zu den mehrfach marginalisierten Gruppen, etwa wenn sie nicht nur aufgrund ihres Geschlechts, sondern auch aufgrund ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft, ihrer sexuellen Identität, ihrer Religion oder ihres Alters Diskriminierung erfahren. Einige Stiftungen haben sich durch die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt bereits freiwillig zur Anerkennung und Einbeziehung von Vielfalt in der Arbeitskultur verpflichtet und Diversität als Leitprinzip in ihre Strategie implementiert.

Eine weitere Möglichkeit, Frauen insbesondere für hauptamtliche Führungspositionen zu finden, ist die Beauftragung einer Personalberatung, ein in der Privatwirtschaft verbreitetes Vorgehen. Laut einer aktuellen Studie der AllBright-Stiftung wurden 63 Prozent der weiblichen Vorstandsmitglieder der größten deutschen börsennotierten Unternehmen extern für den Vorstand oder die Ebene darunter rekrutiert. Dies zeigt, dass Headhunter eine wichtige Rolle bei der Förderung der Geschlechterparität in Führungspositionen spielen können. Diese Methode könnte auch für Stiftungen interessant sein.

Die genannten Maßnahmen können sich ergänzen und gemeinsam zu einem ausgewogeneren Geschlechterverhältnis in Stiftungsvorständen beitragen. Davon sind auch die Geschäftsführer der AllBright-Stiftung Wiebke Ankersen und Christian Berg überzeugt:

„Wenn wir deutlich mehr Frauen in den Vorständen sehen wollen, brauchen wir Parität nicht nur bei den externen Besetzungen, sondern auch bei den internen Beförderungen bis in die Unternehmensführung. Die Unternehmen müssen selbst systematisch einen viel größeren Pool an weiblichen Führungskräften auf allen Ebenen aufbauen, daran führt kein Weg vorbei.“

Quotenregelungen für Stiftungsvorstände?

Die Einführung einer sogenannten Frauenquote in Politik, Wirtschaft und Justiz ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Im August 2021 trat das Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) in Kraft, das die Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen der größten Wirtschaftsunternehmen und im öffentlichen Dienst regelt.

Die Einführung dieser Quote hat in der Wirtschaft tatsächlich zu einem Anstieg des Frauenanteils in Vorständen geführt. Allerdings ist auch ein Sättigungseffekt zu beobachten, insbesondere in Privatunternehmen: Wenn bereits eine oder zwei Frauen im Vorstand vertreten sind, tendieren Unternehmen oft dazu, keine weiteren weiblichen Mitglieder zu benennen.

Für zivilgesellschaftliche Organisationen, einschließlich Stiftungen, gibt es derzeit keine vergleichbare Quotenregelung. Stiftungen haben jedoch die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis Maßnahmen zur Beteiligung von Frauen in ihren Satzungen zu verankern.

Einen ersten Schritt in diese Richtung gehen Stiftungen, die das FAIR SHARE Commitment unterzeichnen. Mit der Unterzeichnung verpflichten sich zivilgesellschaftliche Organisationen, bis 2030 einen fairen Frauenanteil von mindestens 50 Prozent in ihren Führungsgremien zu erreichen und jährlich aktuelle Daten dazu vorzulegen.

Quotenregelungen können dazu beitragen, Geschlechterstereotype abzubauen, und Stiftungen dabei unterstützen, die Vorteile vielfältig zusammengesetzter Teams in der Praxis zu erkennen. Wenn Frauen eine gerechtere Teilhabe an Führungspositionen ermöglicht wird, können sie als Vorbilder dienen und zeigen, dass Frauen in diesen Positionen erfolgreich sind.

Fazit

Um Geschlechterparität in Stiftungsvorständen zu fördern, können Stiftungen Chancengleichheit ermöglichen und Diskriminierungen aktiv entgegenwirken. Dabei können sie eine breite Palette von Maßnahmen nutzen, um qualifizierte Frauen für Führungspositionen zu gewinnen. Zugleich ist es wichtig, Männer für die aktive Mitarbeit in zivilgesellschaftlichen Organisationen zu interessieren, insbesondere in sogenannten geschlechtsuntypischen Betätigungsfeldern. Die Förderung der Geschlechtervielfalt sollte nicht als ein Akt des Ausschlusses von Männern verstanden werden, sondern vielmehr als eine Chance zur Zusammenarbeit aller Geschlechter und zur Stärkung der kollektiven Kompetenz innerhalb der Stiftung.

Anmerkungen

Das Stiftungspanel ist eine Online-Befragung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, die auf freiwilliger Teilnahme interessierter Stiftungen, unabhängig von Rechtsform und Ausrichtung, basiert. Ziel ist es, zeitnahe und regelmäßige Informationen über diverse aktuelle Themen im Stiftungssektor bereitzustellen. Die zugrundeliegende Befragung erfolgte vom 15. März bis 14. April 2023. Insgesamt haben 270 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts daran teilgenommen.

Die gesamte Studie können Sie hier einsehen: www.stiftungen.org/stiftungsfokus

Hier können Sie Ihre Stiftung für die Befragungen des Stiftungspanels anmelden: www.stiftungen.org/stiftungspanel

Zur Person

Diskussion

Keine Kommentare

Kommentar schreiben

Verwandte Artikel

Zurück
Vor