Fördern mit Fernlicht
Welche Förderansätze helfen NGOs optimal und wie wird der Stiftungssektor offener für Innovationen? Bei einer Veranstaltung der Stiftungsinitiative #VertrauenMachtWirkung in Hamburg diskutierten Stiftungen und NGOs Beispiele guter Praxis.
Die Arbeit von Stiftungen kann nur so gut sein, wie es die Beziehung zu ihren Förderpartner*innen ist. In diesem Bewusstsein kommen am 23. Februar 2023 in Hamburg rund 40 Vertreter*innen von Stiftungen und NGOs zu einem Treffen der Stiftungsinitiative #VertrauenMachtWirkung zusammen. Sie wechseln Perspektiven, reflektieren kritisch Erfahrungen in der Zusammenarbeit und diskutieren über die Stiftungen der Zukunft. Mit dabei sind Vertreter*innen großer Förderinstitutionen wie der Robert Bosch Stiftung, der Stiftung Mercator, der Schöpflin Stiftung und NGOs wie ACT e.V., Brand New Bundestag oder Superrr Lab.
Am Nachmittag stellen einige NGOs und Stiftungen in kurzen Workshops ihre Zusammenarbeit vor. In einem dieser Workshops sitzen Veit Cornelis vom Freiburger Verein Bildung für alle e.V., Simon Rieser vom Sozialunternehmen Impact Society gUG und Anna Häßlin von der Schöpflin Stiftung. Die dreiköpfige Gruppe arbeitet seit zwei Jahren intensiv zusammen. Ziel ist es, die Finanzkompetenz des Vereins Bildung für alle e.V. langfristig zu stärken.
„Lerndreieck“ aus Förderern und Geförderten
Als Veit Cornelis 2020 die Geschäftsführung von Bildung für alle e.V. übernahm, hatte er wenig Erfahrung im Finanzcontrolling und musste innerhalb kurzer Zeit viel Wissen aufbauen. Über die Schöpflin Stiftung, zu dem Zeitpunkt Förderin des Vereins, erhielt er den Kontakt zum Sozialunternehmen von Simon Rieser. Mit seiner Organisation, der Impact Society, schult Rieser NGOs in Sachen Finanzcontrolling, Buchhaltung und Fördermittelmanagement. Die Impact Society ist ebenfalls Förderpartnerin der Schöpflin Stiftung. „Organisationen, die mit uns arbeiten, können sich stärker auf ihren gesellschaftlichen Impact konzentrieren und schneller wachsen“, erklärt Simon Rieser.
In regelmäßigen Online-Treffen arbeiten Rieser und Cornelis zusammen, „teilen den Bildschirm“, um über Excel-Tabellen und Buchhaltungssoftware zu sprechen. Einige Finanzthemen werden auch komplett an die Impact Society ausgelagert. Wie wertvoll Riesers Angebot ist, weiß jede NGO, die in den letzten Jahren eine Finanzkraft gesucht hat. Qualifizierte Finanzleute sind nicht nur im NGO-Bereich schwer zu finden. Das ist auch Anna Häßlin bewusst. Sie ist Programmleiterin für den Bereich Infrastruktur & Beziehung bei der Schöpflin Stiftung. Die Stiftung fördert die Zusammenarbeit seit 2020 und hilft dabei, den Freiburger Verein weiter zu professionalisieren.
Besonders interessant: Die Stiftung gibt nicht nur Geld, sondern ist kontinuierlich involviert in den Fortschritt der Zusammenarbeit. In den regelmäßigen Online-Treffen, die von einem Organisationsentwickler moderiert werden, hört Häßlin zu, lernt und liefert eigene Ideen, wie die Zusammenarbeit ihre volle Wirkung entfalten kann. Die drei beteiligten Organisationen sprechen deshalb von einem „Lerndreieck“.
In der aktuellen Förderlandschaft für gemeinnützige Organisationen bildet das Lerndreieck eine Ausnahme. Häufig treffen die Förderprogramme von Stiftungen nicht optimal die Bedarfe der NGOs. Unterstützungen sind zumeist projektgebunden, basieren auf einer feststehenden Wirkungslogik, vordefinierten Aktivitäten und sind zeitlich begrenzt. Flexible Förderprogramme über mehrere Jahre hingegen schaffen die nötigen Freiräume, sind aber selten.
Es bewegt sich etwas – wenn auch langsam
Mehr ehrlicher Austausch auf Augenhöhe – das ist die Idee der Veranstalter*innen der Initiative #VertrauenMachtWirkung in Hamburg. Die Initiative wurde 2019 ins Leben gerufen, um entlang der Neun Thesen für die Stiftung der Zukunft Wandel und kritische Debatten im philanthropischen Sektor anzustoßen. Stiftungen sollen transparenter, partizipativer und diverser werden. Gelingt das?
„Es bewegt sich etwas, wenn auch langsam und mit Widerständen“, stellen Victoria Hugelshofer und Anne Jacob vom Beratungsunternehmen Wider Sense fest, die die Arbeit der Initiative die letzten dreieinhalb Jahre betreuen. Mittlerweile sind 36 Stiftungen an Bord und teilen ihre Beispiele guter Praxis. Doch Hugelshofer und Jacob wünschen sich vom deutschen Stiftungssektor noch mehr Mut, innovative Ansätze auszuprobieren.
Den Thesen in der Theorie zuzustimmen, reiche nicht. „Wenn wir uns mit Stiftungen im angloamerikanischen Raum vergleichen, befinden wir uns eher im Mittelfeld, was das Praktizieren moderner Stiftungsarbeit und gleichberechtigter Zusammenarbeit zwischen Stiftungen und Förderpartner*innen angeht,“ meint Hugelshofer. Obwohl sich aktuell viele Stiftungen für partizipative Ansätze interessieren, sind die Versuche, diese sowohl stiftungsintern als auch in der Förderarbeit auszuprobieren, noch sehr zaghaft. „Mit echter Partizipation geht die Abgabe von Macht einher. Das anzuerkennen und umzusetzen, fällt vielen nicht leicht“, weiß Jacob.
Neue Stiftungen als Innovationstreiber
Sehr erfreulich finden Jacob und Hugelshofer hingegen: „Neue junge Stiftungen, die gerade entstehen, verkörpern die Thesen bereits in ihren Arbeitsansätzen und scheuen nicht davor, neue Wege einzuschlagen. Das regt zum Nachahmen an und bringt Schwung in den Sektor.“
Für Stiftungen, die sich näher mit den Thesen beschäftigen wollen, hat die Initiative einen Methodikkoffer, die #LOSLEGEN Sammlung, entwickelt. Die Workshop-Methoden sollen dabei helfen, über den Status Quo in der Stiftung zu reflektieren und Veränderungen anzustoßen.
Raum für Reflexion bietet auch die Veranstaltung in Hamburg. Und es zeigt sich, was das flexible Fördermodell beim Verein Bildung für alle e.V. bewirkt: „Wir fahren jetzt mit Fernlicht und haben die Finanzen langfristig im Blick“, sagt Veit Cornelis zufrieden. Simon Rieser nickt: „Ihr seid auf einem guten Weg.“
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