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Gebt den Jungen das Kommando!

Viele Stiftungen haben Probleme, ihre meist ehrenamtlichen Vorstandspositionen nachzubesetzen. Doch das muss nicht sein. Ein Blick auf die Datenlage – und auf Lösungsstrategien, die sich daraus ergeben.

Abbildung 1. 78 Prozent der Stiftungsvorstände arbeiten ausschließlich ehrenamtlich.
© BVDS

Rund 78 Prozent der Stiftungsvorstände in Deutschland arbeiten ausschließlich ehrenamtlich,1 wie die Ergebnisse aus dem Stiftungspanel2 des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen vom März/April 2023 zeigen (Abbildung 1). Aus dem Freiwilligensurvey (2019)3 ist zugleich bekannt, dass junge Menschen in Vorständen und Leitungspositionen zivilgesellschaftlicher Organisationen (darunter auch Stiftungen) im Vergleich zu älteren Generationen unterrepräsentiert sind.

Nur 22 Prozent der 14- bis 29-Jährigen und 25 Prozent der 30- bis 49-Jährigen, die sich freiwillig in zivilgesellschaftlichen Organisationen engagierten, übten 2019 eine Leitungs- oder Vorstandsfunktion aus. Bei den Engagierten ab 50 Jahren waren dagegen rund 30 Prozent in solchen Funktionen tätig.4  

Gleichzeitig sinkt generell die Bereitschaft zur Übernahme von Vorstands- oder Leitungspositionen, die häufig mit Rechts- und Haftungsfragen verbunden sind, im Zeitverlauf und über alle Altersgruppen hinweg. Vor diesem Hintergrund ist die Sorge vieler Stiftungen, ihre Vorstandspositionen nicht nachbesetzen zu können, nachvollziehbar.  

Viele Stiftungen sind besorgt 

Wie groß diese Sorge ist, zeigen Ergebnisse des Stiftungspanels. Danach sorgen sich 43 Prozent der Stiftungen um die Nachfolge in ihren Vorständen. Rund 16 Prozent sind diesbezüglich teilweise besorgt und rund 38 Prozent machen sich keine Sorgen, eine geeignete Nachfolge zu finden (Abbildung 2). Angesichts der seit den 2000er-Jahren stark gewachsenen Zahl von Stiftungen wird die Frage nach einer angemessenen Nachfolgeregelung für den Vorstand für viele Stiftungen dringlicher.5

Abbildung 2. 43 Prozent der Stiftungen sind besorgt, keine geeignete Nachfolge für den Stiftungsvorstand zu finden.
© BVDS


Mit dieser Problematik stehen Stiftungen übrigens nicht allein da. Auch andere zivilgesellschaftliche Organisationen beklagen Nachwuchsprobleme, insbesondere in ehrenamtlichen Leitungsfunktionen.6, 7 Aber auch kleine und mittlere Unternehmen berichten seit Jahren von Schwierigkeiten bei der Nachfolgesuche.8 

Rechtliche Grundlagen 

Der Vorstand ist das einzige gesetzlich vorgeschriebene Organ einer Stiftung. Der langfristigen Nachfolgeregelung im Stiftungsvorstand kommt daher eine existenzielle Rolle für die künftige Entwicklung von Stiftungen zu. Gelingt es nicht, den Vorstand entsprechend der Satzungsregelung ordnungsgemäß zu besetzen, kann die Stiftungsbehörde von ihrem Notbestellungsrecht Gebrauch machen oder andere Maßnahmen treffen, durch die die Entscheidungsfähigkeit der Stiftung dauerhaft oder vorübergehend wiederhergestellt wird (vgl. § 84c BGB n.F.).   

Die Mehrheit der Stiftungen (64 Prozent) wählt ihren Vorstand durch ein anderes Organ (zum Beispiel Stiftungsrat, Kuratorium), während er etwa bei einem Viertel durch Kooptation, also die Zuwahl weiterer Mitglieder durch den Vorstand selbst, bestellt wird.9 Um eine geordnete Nachfolge zu gewährleisten, sollten die Satzungsregelungen zur Nachbesetzung der Organe daher mit großer Sorgfalt gestaltet werden. 

Fokus auf Jüngere richten 

Doch wie lassen sich geeignete Kandidat*innen für die Stiftungsorgane finden? Vielversprechend ist der Ansatz, verstärkt junge engagierte Menschen in die Stiftungsarbeit einzubinden und damit perspektivisch für die Vorstandsarbeit zu gewinnen. Generell zeigen junge Menschen eine überdurchschnittlich hohe Bereitschaft, sich freiwillig zu engagieren. Laut Ergebnissen des Freiwilligensurveys 2019 liegt das durchschnittliche freiwillige Engagement bei den 14- bis 29-Jährigen mit rund 42 Prozent und bei den 30- bis 49-Jährigen mit rund 45 Prozent deutlich höher als beim Durchschnitt über alle Altersgruppen hinweg. Hier sind es 39 Prozent, die sich freiwillig engagieren.10 

Indem Stiftungen junge Menschen frühzeitig in die Stiftungsarbeit einbinden und ihnen die Möglichkeit geben, aktiv an Entscheidungsprozessen mitzuwirken, legen sie den Grundstein für deren langfristige Bindung an die Stiftung. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, sie für eine spätere Mitarbeit im Stiftungsvorstand zu gewinnen. Darüber hinaus können die jungen Engagierten als Botschafter*innen für die Interessen und Bedürfnisse ihrer Generation fungieren und eine Brücke zu den jungen Zielgruppen der Stiftung oder ihrer Projektpartner schlagen. 

Umgekehrt profitieren auch die jungen Engagierten: Indem sie ernst genommen werden und ihnen Verantwortung übertragen wird, können sie ihr Potenzial voll entfalten und ihre Fähigkeiten kontinuierlich weiterentwickeln. 

Konkrete Schritte 

Doch wie kann es gelingen, junge Menschen stärker in die Stiftungsgremien einzubinden und ihre Entwicklung zu fördern? Dazu bedarf es neben der satzungsgemäßen Bestellung der Vorstände einer verbindlichen Personalstrategie für die Nachfolgesuche im Vorstand. Dies wird von einigen Stiftungen bereits umgesetzt.  

Insbesondere in größeren Stiftungen können Mentoring-Programme junge Menschen ermutigen und unterstützen, sich im Vorstand zu engagieren. Erfahrene Vorstandsmitglieder fungieren dabei als Mentor*innen und geben so ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Netzwerke an die Nachwuchskräfte weiter. Durch diese Lern- und Austauschplattform werden junge Menschen auf ihrem Weg in die Vorstandsarbeit begleitet und gefördert.  Auch die zeitliche Begrenzung von Vorstandsmandaten kann dazu beitragen, den Generationswechsel zu erleichtern.11  

Engagement flexibel gestalten 

Darüber hinaus sollte das Engagement im Vorstand flexibel gestaltet werden können. Je weniger das Engagement zeitlich und örtlich gebunden ist, desto eher lässt es sich mit Ausbildung, Familie und Beruf vereinbaren.12   

Auch die interne Verteilung von Aufgaben und Verantwortungsbereichen auf verschiedene Personen in einem mehrköpfigen Vorstand kann ein Weg sein, um individuelle Belastungen zu reduzieren und den Bedürfnissen junger Engagierter Rechnung zu tragen.  

Bei den im Rahmen des Stiftungspanels befragten Stiftungen zeigt sich, dass die Vorstandsarbeit bereits auf mehrere Schultern im Vorstand verteilt wird. So haben 63 Prozent der Stiftungen angegeben, dass mindestens zwei bis vier Personen im Vorstand tätig sind, bei 14 Prozent sind es sogar mehr als vier Personen. Lediglich 11 Prozent der befragten Stiftungen sagen, dass die Vorstandsarbeit in den Händen einer einzelnen Person liegt.  

Win-win-Situation 

Zwar dreht sich die Arbeit im Stiftungsvorstand neben der Zweckerfüllung auch um Rechts- und Vermögensfragen und ist mit Haftungsaspekten verbunden. Gerade auf Jüngere, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich engagieren möchten, kann dies abschreckend wirken.  

Zugleich bietet die Mitarbeit im Vorstand einer Stiftung jungen Menschen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen weiterzuentwickeln. Sie können wertvolle Erfahrungen in den Bereichen Entscheidungsfindung, Projektmanagement, strategische Planung, Finanzierung und Governance sammeln.  

Dies kann ihre persönliche Entwicklung stärken und ihnen wertvolle Erfahrungen und Kontakte vermitteln, die auch für ihre berufliche Laufbahn interessant sein können. Insofern bietet die ehrenamtliche Arbeit im Stiftungsvorstand ein attraktives Engagementfeld insbesondere für junge Menschen, für die neben altruistischen Motiven auch der Kompetenzerwerb bei der Entscheidung für ein ehrenamtliches Engagement ausschlaggebend ist.13 Eine klassische Win-win-Situation also. 

Fazit 

Durch die Umsetzung der oben beschriebenen Maßnahmen können Stiftungen die Gremienarbeit attraktiver gestalten und junge Menschen für ein Engagement im Vorstand gewinnen. Dies ermöglicht einen reibungslosen Generationswechsel, bringt frische Perspektiven ein und stärkt die Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung der Stiftungsarbeit. Höchste Zeit also, die Talente und Potenziale junger Menschen stärker zu nutzen und eine neue Generation engagierter Stiftungsvorstände zu fördern.  

 

Anmerkungen, Quellen und weiterführende Literatur  

1 „Ehrenamtlich“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Vorstand unentgeltlich tätig ist oder eine Vergütung erhält, die jährlich einen Betrag von 840 Euro nicht überschreitet. 

2 Das Stiftungspanel ist eine Online-Befragung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, die auf freiwilliger Teilnahme interessierter Stiftungen, unabhängig von Rechtsform und Ausrichtung, basiert. Ziel ist es, zeitnahe und regelmäßige Informationen über diverse aktuelle Themen im Stiftungssektor bereitzustellen. Die aktuelle Befragung erfolgte vom 15.03.bis 14.04.2023. Insgesamt haben 270 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts daran teilgenommen. Hier können Sie Ihre Stiftung für die Befragungen des Stiftungspanels anmelden: www.stiftungen.org/stiftungspanel

3 Der Deutsche Freiwilligensurvey (FWS) ist eine repräsentative telefonische Befragung zum freiwilligen Engagement in Deutschland, die sich an Personen ab 14 Jahren richtet. Die Daten des Freiwilligensurveys wurden bislang fünf Mal in den Jahren 1999, 2004, 2009, 2014 und 2019 erhoben. Die Ergebnisse des Freiwilligensurvey sind wichtig für die Gestaltung der Engagementpolitik von Bund, Ländern und Kommunen. Sie sind auch für Vereine, Verbände, Stiftungen und Bürgerinitiativen wertvoll, um etwas über gesellschaftliche Trends und den Wandel im freiwilligen Engagement zu erfahren und darauf zu reagieren. (BMFSFJ, 2022

4 Karnick, Nora, Simonson, Julia, & Hagen, Christine (2022). Organisationsformen und Leitungsfunktionen im freiwilligen Engagement. Freiwilliges Engagement in Deutschland: Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019, 183-202. Abgerufen am 13.06.2023. 

5 Aktuelle Zahlen zur Entwicklung des Stiftungsbestandes in Deutschland finden Sie in unserem Stiftungsfokus Nr.17 (2023): Die Stiftungslandschaft in Deutschland. Ost- und westdeutsche Länder im Vergleich. Bundesverband Deutscher Stiftungen. Online verfügbar. Zuletzt abgerufen am 13.06.2023. 

6 Alscher, Mareike, Priller, Eckhard, & Burkhardt, Luise (2021). Zivilgesellschaftliches Engagement. Statistisches Bundesamt (Destatis), Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) & Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) (Hrsg.) Datenreport, 399-407. Abgerufen am 13.06.2023. 

7 Hummel, Siri, Pfirter, Laura, & Strachwitz, Rupert Graf (2022). Zur Lage und den Rahmenbedingungen der Zivilgesellschaft in Deutschland: ein Bericht. Abgerufen am 13.06.2023. 

8 Zum Vergleich hierzu eine aktuelle Studie des volkswirtschaftlichen Kompetenzzentrums der KfW-Bank (28.03.2023): Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2022: Knappheit an Nachfolgekandidaten nimmt zu, Misserfolge dürften häufiger werden. Online verfügbar. Zuletzt abgerufen am 13.06.2023. 

9 Bischoff, Antje, & Kowark, Katrin (2016). Nachfolge im Stiftungsvorstand: Neue Zahlen und Fakten. Stiftungsfokus 1/2016. Bundesverband Deutscher Stiftungen. Online verfügbar. Zuletzt abgerufen am 13.06.2023. 

10 Simonson, Julia, Kelle, Nadya, Kausmann, Corinna, & Tesch-Römer, Clemens (2022). Unterschiede und Ungleichheiten im freiwilligen Engagement. Freiwilliges Engagement in Deutschland: Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019, 67-94. Abgerufen am 13.06.2023. 

11 Nauck, Isa (2013): Nachfolgeregelungen für den Stiftungsvorstand – Probleme und Lösungsansätze im Überblick. in: Sandberg, Berit [Hrsg.]. Nachfolge im Stiftungsvorstand. Essen. S. 48-68. 

12 Alscher, M. (2017). Zivilgesellschaftliche Organisationen ohne Jugend? Eine Organisationsbezogene Betrachtung zum Engagement junger Menschen. München: De Gruyter Oldenbourg. 

13 Arriagada, Céline, & Karnick, Nora (2022). Motive für freiwilliges Engagement, Beendigungsgründe, Hinderungsgründe und Engagementbereitschaft. Freiwilliges Engagement in Deutschland: Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019, 125-150. Abgerufen am 13.06.2023. 

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