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Der "Motor des Wandels" hat ausgedient

Ihr zweiwöchentlicher Webtalk #ImpulseStiften ist für viele im Stiftungssektor ein Pflichttermin: Stephanie Reuter und Karsten Timmer lassen sich von ihren Gesprächspartnern gern inspirieren, aber auch kritisch den Spiegel vorhalten. Zeit, den beiden Online-Hosts selbst ein paar Fragen zu stellen – zu ihrem erfolgreichen Format und zur Stiftungsszene.

Doppelinterview Stefanie Reuter und Karsten Timmer
© Fabian Melber | privat
9 Minuten 28.04.2024
Interview: Jonathan Horstmann

Frau Reuter, Herr Timmer, alle reden von der Transformation, Sie auch?

Stephanie Reuter: Klar. Ich finde aber, dass der Begriff in vielen Zusammenhängen verwendet wird, in denen es nur um ganz alltägliche Veränderungsprozesse geht. Treffend gewählt finde ich "Transformation" für so große Umwälzungen wie die sozial-ökologische Wende, mit denen sich übergeordnete Ziele verbinden.

Gibt es ein Zitat zum Thema, das Ihnen gefällt?

Reuter: "Wir sind der Wandel, auf den wir gewartet haben" von Barack Obama. Damit kann ich etwas anfangen, weil wir uns in der Stiftung fast täglich die Frage stellen, wie wir den Wandel anschieben können, den wir herbeiführen wollen. Auch wenn viele Probleme systemischer Natur sind, gilt es doch immer in die Selbstwirksamkeit zu kommen. Ein positives Mindset hilft gerade in herausfordernden und unsicheren Zeiten.

In Ihrer Webtalk-Reihe #ImpulseStiften sprechen Sie mit Fachleuten über Stiftungs-, Vermögens- und Organisationsthemen. Wonach wählen Sie Ihre Gäste aus?

Karsten Timmer: Es gibt eigentlich nur die Maßgabe, dass wir sie bisher möglichst noch nicht im Call dabeihatten. Wenn irgendjemand in unserem vierköpfigen Organisationsteam – wir machen das ja mit Felix Dresewski und Kirsten Wagner zusammen – ein interessantes Thema im Blick hat, wird ein Gesprächstermin angesetzt und los geht’s. Der thematische Fokus, der sich daraus ergibt, ist relativ breit, er streut von ganz praktisch bis ganz meta.

Reuter: Die Idee für das Format entstand zu Beginn der Pandemie im März 2020. Wir stellten uns die Frage, wie wir unsere Förderpartner*innen in dieser Ausnahmesituation bestmöglich unterstützen können, was sie brauchen, was das für unser Handeln heißt. Unsere Vermutung war, dass es vielen Kolleg*innen ähnlich ging. Die Reihe hat sich mit der Zeit weiterentwickelt und vom Coronakontext gelöst. Wir sind neugierig und schauen, was gerade relevant erscheint. Aktuell zum Beispiel der Diskurs um künstliche Intelligenz – der ist im Stiftungssektor noch nicht so angekommen wie in anderen Branchen. Zusätzlich zu inspirierenden Kolleg*innen aus dem Stiftungssektor laden wir "Critical Friends" aus anderen Bereichen ein – und natürlich immer wieder Förderpartner*innen. Die Perspektivenvielfalt zählt und zahlt sich aus. Wir wollen gemeinsam lernen und besser werden.

Sie gehen mit dem Format ins fünfte Jahr – gab es Highlights, die Ihnen bis hierher besonders in Erinnerung geblieben sind?

Reuter: Zum einen unser gemeinschaftlich entwickelter Leitfaden "weniger ist mehr", der aus einer Idee von Karsten geboren wurde. Er zeigt, dass das, was die Förderpartner*innen von uns Stiftungen brauchen, oft etwas anderes ist, als es unserer internen, häufig etwas verkopften Vorstellung entspricht. Zum anderen das von Felix Dresewski eingeführte Format "Pleiten, Pech und Pizza". Lange haben wir einander im Stiftungssektor immer nur unsere Erfolgsgeschichten erzählt. Besonders lehrreich wird es aber oft, wenn wir über die Dinge sprechen, die nicht gut liefen.

Timmer: #ImpulseStiften ist deshalb etwas Wunderbares, weil der Webtalk einen kritisch-konstruktiven Diskursraum zu Stiftungsthemen öffnet. In den Medien gibt es oft nur Schwarz-Weiß zu Stiftungen: entweder die klassische Scheckübergabe mit glänzenden Kinderaugen oder die Sozialneiddebatte, wo einer Marlene Engelhorn vorgeworfen wird, von ihren 27 geerbten Millionen nur 25 zu verschenken. Was fehlt, ist eine kritisch-konstruktive Perspektive auf den Sektor. Es ist übrigens auch ein Problem, dass es hierzulande im größten Stiftungssektor Europas kein einziges wissenschaftliches Forschungsinstitut zu Stiftungsthemen gibt – anders als in der Schweiz oder in Großbritannien.

Wie ist die Resonanz auf Ihr Format?

Reuter: Meist schalten sich rund 100 Kolleg*innen zu; vergangene Woche waren es mehr als 160. Dass die Reihe so lange so viel Zuspruch finden würde, hätte ich anfangs nicht gedacht. Wir haben eine richtige Community aufgebaut.

"Besonders lehrreich wird es oft, wenn wir über die Dinge sprechen, die nicht gut liefen."

Stephanie Reuter, Stiftungsmanagerin und Co-Host #ImpulseStiften

Sie, Frau Reuter, hatten vorhin den Nachholbedarf der Stiftungen beim Thema KI erwähnt.

Reuter: Ich will das gar nicht so pauschal für alle sagen, aber es lässt sich durchaus konstatieren, dass der digitale Wandel relativ spät im Sektor ankam. Dafür, dass wir Stiftungen uns häufig als "Seismografen gesellschaftlicher Entwicklungen" oder "Promotoren des Wandels" bezeichnen, sollten wir meines Erachtens schon mal selbstkritisch auf uns und unsere Organisationen schauen. Welches Mindset zeichnet uns aus? Wie bleiben wir als Arbeitgeberinnen für junge Leute attraktiv? Andere Branchen sind uns in einigen Aspekten weit voraus. Und zwar weil deren Veränderungsdruck viel größer ist als der in der Stiftungswelt.

Timmer: Es gibt ehrlich gesagt gar keinen echten Veränderungsdruck in der Stiftungswelt.

Reuter: Na, ich würde sagen, inzwischen schon. Weil man, wenn man die besten Projektpartner möchte, für diese auch attraktiv sein muss.

Timmer: Ach, solange du genügend Geld mitbringst …

Reuter: Stiftungen müssen sich heute aber schon viele Fragen gefallen lassen, die früher nicht einmal gestellt wurden. Zum Ursprung des Stiftungsvermögens zum Beispiel. Aber sicher ist das ein Druck, der fast nur von außen auf uns ausgeübt wird. Von innen haben wir ihn lange Zeit kaum gespürt.

Timmer: Ich schwanke immer in meiner Einschätzung von Stiftungen. Manchmal finde ich sie ganz toll, und manchmal denke ich mir, das kann doch so alles nicht wahr sein. Gemessen an der Freiheit, die diese Organisationen haben, kann und muss man hohe Ansprüche stellen. Daher bin ich froh, dass sich wirklich etwas verändert, auch in der Breite. Corona war dabei sicherlich ein wichtiger Impuls, der viele alte Gewohnheiten infrage gestellt hat. Aber auch die Art und Weise der Rekrutierung hat viel verändert.

Sie meinen, wie Stiftungen an ihr Personal kommen.

Timmer: Genau. Ich mit meinem Werdegang bin da ein typisches Beispiel meiner Stiftungsgeneration: Studium, Promotion, Stiftung – das war damals der klassische Weg. Als ich mich um meinen ersten Job bewarb, musste man bei einigen Stiftungen noch einen Doktortitel mitbringen, um ein Praktikum machen zu dürfen! So hoch lag die Latte. In den vergangenen Jahren haben viele Stiftungen zum Glück Abstand davon genommen, nur Leute direkt aus der Uni einzustellen. Sie rekrutieren neues Personal stattdessen aus dem Sektor, in dem sie arbeiten, beispielsweise aus NGOs. Da die entsprechenden Kandidat*innen dann aus eigener Erfahrung wissen, wie sich eine Stiftungsförderung anfühlt und sozusagen die andere Seite kennen, verändert das wahnsinnig viel. Diese neue Haltung zieht innerhalb der Stiftungswelt weite Kreise. Anders als andere vermeintliche Innovationen des Sektors, die am Ende nie so richtig aus dem Quark gekommen sind.

Woran denken Sie?

Timmer: Zum Beispiel an das Impact Investing. Darüber diskutieren wir seit 20 Jahren, aber nur wenige Stiftungen haben es umgesetzt. Die Idee ist: Wenn eine Stiftung auf 100 Millionen sitzt, dann arbeitet sie vielleicht mit drei Millionen Erträgen im Jahr. Alternativ könnte man aber die gesamten 100 Millionen, die zur Verfügung stehen, so anlegen, dass sie ebenfalls zur Verwirklichung der Stiftungszwecke dienen – oder diese zumindest nicht beschädigen. Eine Stiftung im Kontext Entwicklungszusammenarbeit könnte ihr Vermögen etwa in Mikrofinanzfonds anlegen. Macht total viel Sinn, ist aber irgendwie nie so richtig Mainstream geworden.

Ach. Wieso nicht?

Timmer: Da ist leider die extreme Risikoaversion vieler Stiftungsvorstände.

Reuter: Ja, dabei müssten Stiftungen, so wie sie aufgebaut und strukturiert sind, gerade mutig und risikobereit sein. Wenn wir nicht diejenigen sind, die flexibel, agil und vertrauensbasiert handeln, Mut zum Risiko mitbringen, an etwas glauben und, falls es scheitert, unsere Learnings teilen, dann weiß ich nicht, was unsere Rolle sein soll.

Welchen Veränderungsbedarf sehen Sie?

Timmer: Das Thema Nummer eins sind die Gremien. Auch wenn Stiftungen zunehmend jünger und weiblicher sind und auf dem Deutschen Stiftungstag inzwischen ein buntes Bild zeichnen, werden die Entscheidungen nach wie vor von anderen Personen getroffen. Stiftungsgremien gehören zu den exklusivsten und homogensten Gruppen, die Sie in Deutschland finden werden. Es handelt sich klassischerweise um ältere, weiße, hochgebildete, wohlhabende Männer, noch dazu meist ehrenamtlich tätig, die ein-, zwei-, dreimal im Jahr zusammenkommen und dann überlegen, was man für Kinder und Jugendliche in sozialen Brennpunkten tun kann. Ich sag mal so: Das muss nicht gut gehen. Und hinzu kommen dann noch Missverständnisse rund ums Thema Vermögensverwaltung. "Wir müssen mündelsicher anlegen" zum Beispiel – das müssen wir seit 30 Jahren nicht mehr. Oder: "Bei mehr als 20 Prozent Aktien kriegen wir Ärger mit der Stiftungsaufsicht." Solche veralteten Mythen bekommt man in einer Struktur mit Ehrenamtlichen kaum beseitigt. Ängste vor zu komplizierten Finanzentscheidungen und persönlicher Haftung sind übrigens auch ein Grund, warum viele Stiftungen Probleme haben, Personen für ihre Gremien zu finden.

Hier wird ja ein gesamtgesellschaftliches Problem reproduziert: Die mit dem Kapital stehen an der Spitze und treffen Entscheidungen, die Menschen mit weniger Privilegien am unteren Ende der Pyramide betreffen – was einerseits einen Bias hat und andererseits blinde Flecken erzeugt. Wie könnte man Stiftungsgremien anders besetzen, um diese Strukturen zu durchbrechen?

Reuter: Es gibt glücklicherweise immer mehr Beispiele, bei denen die Entscheidungsfindung jetzt schon partizipativer gestaltet wird und mehr Personen – etwa Förderpartner*innen – einbezogen werden. Es ist sicherlich notwendig, bei Anliegen wie beispielsweise Diversität in Gremien deutlich zu machen, welcher Gewinn damit verbunden ist. Wir hatten mal einen Talk namens "Wie sag ich’s meinen Gremien?", in dem es genau darum ging, diese interne Kommunikationsarbeit zu leisten. Unser Ziel muss ja immer sein, unsere Wirkung fürs Gemeinwohl zu steigern.

Timmer: Man kann die innere Erneuerung von Stiftungen andererseits auch nicht erzwingen, weil man dann den Pluralismus zerstören würde, der dem Stiften zugrunde liegt. Jeder Stifter und jede Stifterin kann eben für sich frei definieren: Dieses oder jenes ist für mich persönlich das Gemeinwohl. Und anders als beim Verwendungszweck von Steuern hat die Allgemeinheit dabei kein Mitspracherecht.

Man könnte sagen, das ganze Konzept des Stiftens ist komplett undemokratisch.

Timmer: Es ist erstens undemokratisch, dass ich als Einzelperson entscheide, wofür mein Geld steuerbegünstigt eingesetzt wird. Und zweitens, dass eine Stiftung keine entscheidungsbefugten Mitglieder hat wie ein demokratisch organisierter Verein, sondern lediglich Gremien, die niemandem Rechenschaft schuldig sind. Über denen steht vielleicht noch die Stiftungsaufsicht, sonst nichts. Aber wie gesagt, man muss das ein Stück weit akzeptieren, wenn man auch die positiven Aspekte der Freiheit von Stiftungen ermöglichen will. Zur unglaublichen Unabhängigkeit von Stiftungen gehört ja, dass sie zu ihrem Überleben nicht auf gute Leistungen angewiesen sind. Um das mal in Relation zu stellen: Wenn Sie als Journalist nur noch schlechte Texte schreiben, sind Sie irgendwann raus. Wenn eine Stiftung hingegen 100 Jahre lang miserable Projekte macht, dann muss nur ihr Vermögensberater gut performen und sie ist im 101. Jahr wieder am Start. Diese Struktur öffnet Tür und Tor für Selbstzufriedenheit, Nepotismus, Vetternwirtschaft. Aber bietet eben auch die Möglichkeit, wirklich coole Sachen zu machen. Um dieses Spannungsverhältnis aufzulösen, braucht es mehr Diskurs, mehr Austausch, mehr Standards.

"Ich wünsche mir vom Sektor eine größere Bereitschaft, sich selbstkritisch zu befragen oder befragen zu lassen."

Dr. Karsten Timmer, Stiftungsberater und Co-Host #ImpulseStiften

Würde eine erfolgreiche Transformation der Gesellschaft bedeuten, dass die Rolle der Stiftungen darin größer oder kleiner wird?

Timmer: Als Stiftungen verlangen wir ja gern von unseren Förderpartnern, dass sie sich langfristig überflüssig machen. Konsequenterweise müsste das für Stiftungen auch gelten. Aber so, wie das System angelegt ist, wird die Gesellschaft einmal eingerichtete Stiftungen kaum wieder los.

Reuter: Aktuell haben wir ja eher das Problem, dass die Herausforderungen größer werden. Denken Sie an die Klimakrise. Oder daran, dass unsere liberale Demokratie unter Beschuss gerät und ausgehöhlt zu werden droht. Weltweit sind autoritäre Kräfte auf dem Vormarsch – leider auch bei uns. Deshalb sehe ich eher mehr Bedarf als weniger; vor allem wenn die Ergebnisse eintreffen sollten, die wir bei den bevorstehenden Wahlen antizipieren. Und es wird immer Themen und gesellschaftliche Gruppen geben, für die es extrem wichtig ist, dass sie durch Player wie uns unterstützt werden. Prinzipiell würde ich mich aber sehr freuen, wenn unser Engagement als Stiftungen irgendwann überflüssig wäre, weil wir unsere Wirkung voll entfaltet hätten.

Dann hätten Stiftungen sozusagen als Brücke für die gesellschaftliche Transformation gedient.

Timmer: Also, ob Stiftungen eine Brücke sind oder "Motoren des Wandels" oder was auch immer da so die typischen Bilder sind, die in unseren Kreisen gerne bemüht werden – da sollten wir etwas kleinere Brötchen backen.

Reuter: (lacht) Ein bisschen Abschichten im Wording, meinst du?

Timmer: Ich kenne diese Sprechweise ja selbst aus den verschiedensten Stiftungskontexten. Aber es ist eine maßlose Selbstüberschätzung, die durch nichts gerechtfertigt ist außer dadurch, dass niemand widerspricht.

Woher kommt so eine großtuerische Rhetorik? Haben Stiftungen einen Minderwertigkeitskomplex, weil sie den Eindruck haben, von der Gesellschaft nicht wertgeschätzt zu werden? Es gibt doch eine große Ehrfurcht vor ihnen als Institutionen.

Reuter: Gute Frage. Wenn man in Deutschland eine Straßenumfrage machen würde und die Stiftung ermitteln würde, die den Menschen am präsentesten ist, wäre das wohl immer noch die Stiftung Warentest. Jenseits dessen haben die meisten Menschen ein sehr abstraktes Bild von Stiftungen. Einige hatten vielleicht noch das Glück, im Studium oder im Rahmen einer Ausbildung von einer Stiftung gefördert zu werden, aber da sind wir nur noch bei einem sehr kleinen Ausschnitt der Bevölkerung. Medienwirksamer als solide Förderarbeit sind mitunter auch die Skandale – denken Sie an die Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern.

Wie wäre es denn, wenn man den Deutschen Stiftungstag in ein Open-House-Format transformieren würde, in dem die Öffentlichkeit Stiftungen kennenlernen könnte, statt dass diese sich nur untereinander austauschen?

Reuter: Ich glaube, es braucht beides. Bei den Hamburger Stiftungstagen im September ist genau das die Idee: Stiftungshandeln in die regionale Öffentlichkeit zu tragen und sichtbar zu machen. Aber es ist genauso wichtig, ein Branchentreffen zu haben, bei dem wir Stiftungsakteur*innen miteinander ins Gespräch kommen, voneinander lernen und uns vernetzen. Gerade die Vernetzung halte ich für essenziell, denn die großen Themen können wir nur gemeinsam lösen. Kooperationen gewinnen immer stärker an Relevanz – und das ist gut so!

Welche Floskel über Transformation können Sie nicht mehr hören?

Timmer: (lacht) Also mit dem "Motor des Wandels" bin ich durch. Ich kann auch die Rede vom "Risikokapital" nicht mehr hören und mag nicht mehr über "gleiche Augenhöhe" sprechen. Was ich mir stattdessen vom Sektor wünsche, ist eine größere Bereitschaft, sich selbstkritisch zu befragen oder befragen zu lassen, gerne auch auf dem Stiftungstag. Aktuell gibt es mir noch zu viel gegenseitiges Schulterklopfen. Realistische Analysen und entsprechende Konsequenzen sind hingegen nicht so unsere Stärke.

Was wünschen Sie sich konkret?

Timmer: Eine Einladung kritischer Stimmungen zum Stiftungstag. Auch gerne mal – wie verrückt wäre das! – Gäste aus anderen Ländern. Klar, das ist teuer, aber man kann ja auch Leute per Video zuschalten. Ich fände es wichtig zu wissen, was zurzeit bei unseren Stiftungskollegen in Großbritannien oder in den Vereinigten Staaten diskutiert wird, oder auch in Afrika, da gibt es ebenfalls Zusammenschlüsse von Stiftungen und Stiftungsakteuren. Ich wünsche mir auch eine öffentliche Debatte innerhalb des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zu dem Trend, dass in Deutschland von Jahr zu Jahr immer weniger gemeinnützige Stiftungen gegründet werden. Wenn das so weitergeht, verwalten wir bald nur noch den Bestand. Finden wir als Verband das schlimm, gut, egal? Am Ende geht es ja schließlich um uns und unsere Mitglieder.

Reuter: Wir sollten auch mal ganz grundsätzlich überlegen, wie eine zukunftsweisende Stiftung aussieht. Wie sehen unsere Zukunftsbilder von uns selbst aus, und wie füllen wir sie mit Leben? Beim vergangenen Stiftungstag in Berlin gab es eine sehr anregende Diskussion über Faktoren, die uns als Stiftungen überflüssig machen würden. So eine Form des Austausches muss möglich sein, ohne dass wir gleich Angst haben, uns damit selbst abzuschaffen. Es geht ja erst mal nur um die Fähigkeit, uns kritisch zu hinterfragen. Können wir das? Ich persönlich mag es jedenfalls, herausgefordert zu werden.

Zu den Personen

© Fabian Melber

Stephanie Reuter
ist geschäftsführende Vorständin der Rudolf Augstein Stiftung. Im Bundesverband Deutscher Stiftungen engagiert sich die Journalistin sowie Kultur- und Stiftungsmanagerin im Beirat und leitet den Arbeitskreis Stiftungskommunikation. Sie ist Co-Initiatorin und Moderatorin des Webtalks #ImpulseStiften. In die Stiftungswelt kam sie über Stationen bei der Robert Bosch Stiftung und der Stiftung Zollverein.

Dr. Karsten Timmer
© privat

Dr. Karsten Timmer
ist geschäftsführender Gesellschafter der panta rhei Stiftungsberatung, die Stifter und Spender bei der Auswahl förderungswürdiger Projekte und Organisationen unterstützt. Zuvor war er mehrere Jahre für die Bertelsmann Stiftung tätig. Im Bundesverband Deutscher Stiftungen leitet er den Arbeitskreis Förderstiftungen; zudem ist er Co-Host des Webtalks #ImpulseStiften.

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